Das neueste Grand Theft Auto Videospiel mit dem Untertitel “San Andreas” steht in den Startlöchern und wird in Kürze (29. Oktober) in Europa erscheinen. Grund genug für uns, noch einmal den Vorgänger „Vice City“ Revue passieren zu lassen.
War das ursprüngliche GTA III noch gegen Ende der `90er angesiedelt, spielt dieser Nachfolger Mitte der `80er. Als GTA IV wird „Vice City“ dennoch nicht bezeichnet, da diese Ehre erst einem GTA Spiel auf der nächsten Hardwareplattform zu Teil werden wird. Lediglich als einfache Erweiterung sollte man dieses Spiel jedoch nicht abtun. Es basiert zwar augenscheinlich auf dem dritten GTA, bietet dennoch viele Erweiterungen, Verbesserungen und vor allem neue Spielelemente. In der Summe ergibt es das bisher einzigartigste Spielerlebnis auf der PlayStation 2.
Welcome to the Eighties
Tommy Vercetti saß 15 lange Jahre im Knast. Wäre es nach der „Familie“ gegangen, würde er dort noch heute verrotten. Doch Tommy ist wieder auf freiem Fuß und will zurück ins Geschäft – frei nach der Devise: einmal ein Verbrecher, immer ein Verbrecher. Sein ehemaliger Arbeitgeber schickt ihn dazu von Liberty City in Richtung Süden, nach Vice City, einem Moloch der Gewalt, des Drogenhandels, der leichten Mädchen und der Gangster. Auf der anderen Seite bietet diese sonnige Stadt fast immer schönes Wetter, einen riesigen Strand und Bevölkerungsschichten von arm bis reich.
Es sollte eine einfache Übergabe werden: Koffer voller Geld gegen reinstes, weißes Kokain. Doch der Deal geht schief und nur durch ein Wunder entkommen Tommy und sein Kontaktmann in Vice City, Ken Rosenberg. Das Spiel beginnt nun vor Rosenberg`s Anwaltsbüro. Die Familie, besser gesagt deren Oberhaupt Sonny Forelli, ist über das verlorene Geld überhaupt nicht glücklich und gibt den beiden eine Gnadenfrist für das Wiederbeschaffen der Moneten. Ein Glück für Tommy, dass Rosenberg ein paar Kontakte in der Stadt besitzt….
One thing leads to another
Zu allererst sollte der Spieler etwas die Stadt erkunden. Dabei wird er schnell feststellen, dass eine Hälfte von Vice City noch gesperrt ist, denn anders als noch im Vorgänger, besteht die sonnige Metropole im Süden der USA, nur aus zwei Inselteilen. Die Größe der beiden Inseln übersteigt jedoch die Gesamtgröße der drei Abschnitte in GTA III. Erst wenn man ein wenig die Wege in der Stadt kennt, sollte man sich an die Missionen wagen. Die Aufträge gliedern sich wieder in Storymissionen, die man zwangsläufig erledigen muss, um im Spielgeschehen voran zu kommen und in Nebenmissionen. Diese sind um einiges vielfältiger, abwechslungsreicher und vor allem umfangreicher als im ersten PlayStation 2 GTA.
Während die ersten Missionen eher der Einführung in das Spiel dienen und man viele Leute kennen lernt, wird das Spiel später knallhart und erfordert einen ruhigen Zeigefinger und eine kluge Vorgehensweise. Viele Missionen verbinden dabei Third-Person-Action mit fahrerischem Können. Die Missionsinszenierungen, wie auch die Zwischensequenzen sind dabei äußerst spaßig ausgefallen – können aber an bestimmten Punkten extrem frustig werden. Braucht man also mal eine Pause vom anstrengenden Gangsterleben, kann man auch eine normale Berufstätigkeit ausüben. Folgende ständig verfügbare Berufsfelder gibt es in Vice City.
- Taxifahrer (auf Zeit chauffiert man Fahrgäste von A nach B und verdient dadurch Geld)
- Rettungswagenfahrer (hole Verwundete in ganz Vice City ab und schaffe sie schnellstmöglich in das Krankenhaus)
- Polizist / Bürgerwehr (verhindere Verbrechen und Schießereien)
- Feuerwehrmann (Lösche schnell Feuer, die bei Unfällen entstehen)
- Pizzajunge (Liefere Pizzas aus)
Daneben gibt es noch weitaus mehr Betätigungen, bei denen man auf legale Weise Geld verdienen kann. Sei es nun bei einem Hot Ring Rennen im Vice City Motodrome, oder ein Geländerennen über einen festgelegten Kurs. Nebenbei kann man sich auch noch diverse Immobilien (Autohaus, Filmstudios, Druckerei…) einverleiben, die regelmäßig Geld abwerfen. Meistens muss man jedoch noch ein paar Kleinigkeiten regeln, bevor man einmal pro Tag die Einkünfte in bar abholen darf. Aber nicht nur auf legale Weise lässt sich Geld verdienen. Steht dem Spieler der Sinn nach Gewalt und Action, findet er Aufträge an Telefonen oder macht einfach diverse Banden in Vice City ausfindig. Die Möglichkeiten sind enorm.
All night long
Seit den Anfangstagen ist die virtuelle Freiheit das Bewundernswerteste an den GTA-Spielen. Man fühlt sich in eine lebendige Welt hinein versetzt. Die Sonne geht auf, sie geht wieder unter, der Mond geht auf, der Mond geht wieder unter. Aber nicht nur Tageszeitenwechsel wurden umgesetzt, auch das Wetter wurde in das Spiel integriert und das ist noch nicht alles. Selbst der Wellengang ist an verschiedenen Tagen unterschiedlich stark.
Als Großstadt bietet Vice City nicht nur eine hohe Bevölkerungsdichte, sondern auch viele Fahrzeuge, respektive viel Verkehr. Zu den wichtigsten Neuerungen zählen dabei Flugzeuge (richtig gehört, man darf jetzt selber in ein richtiges Flugzeug steigen) und Motorräder. Gerade die motorisierten Zweiräder möchte man nie wieder in einem Grand Theft Auto missen, Fahren sich die Maschinen doch nahezu perfekt – selbst Stunts sind damit möglich. Wo wir gerade beim Thema sind. Überall in Vice City gibt es wieder versteckte Rampen zu entdecken, Monster-Stunts auszuführen oder einfach 100 Pakete zu suchen. Damit es bei den Päckchen (Anmerkung: in dem Fall Statuen) auch etwas Motivation gibt, schalten sich diverse Waffen bei bestimmten Mengen dieser Statuen frei. Diese Waffen sind dann in jeder Unterkunft vorzufinden. In GTA: Vice City kann man nämlich auch mehrere Gebäude betreten, egal ob riesiger Supermarkt, Hotels oder Clubs – dadurch verstärkt sich die Atmosphäre und Abwechslung noch um einiges mehr.
Doch bei all den positiven Aspekten des Spieles, gibt es auch ein ganz paar negative Sachen. Zum einen ist die Zielerfassung nach wie vor unbefriedigend und sorgt für viele unnötige Bildschirmtode. Auch vermisst man eine manuelle Kamerasteuerung schmerzlich. So kämpft man gerade in Gassen und Hinterhöfen zu oft mit einer ungenügenden Übersicht. Selbst einige Missionen wurden künstlich durch knallharte Zeitlimits erschwert. In der Summe natürlich, wiegen die virtuelle Freiheit und das Spielerlebnis diese negativen Seiten auf – jedoch wäre es schön im nächsten Grand Theft Auto (San Andreas) eine deutliche Weiterentwicklung zu erleben.
I wanna rock
Besondere Mühe gegeben haben sich die Grafiker bei Rockstar mit dem „Einfangen des `80er Spirits“ gegeben. Vice City wirkt einfach authentisch, zumindest so authentisch wie man diverse Städte aus TV-Serien in dieser Epoche (Miami Vice) kennt. Im Gegensatz zu GTA III, wirkt im neuen Spiel alles heller, freundlicher und natürlich bunter. Doch nicht nur die Gebäude und die Landschaft wurden an den neuen Stil angepasst. So trägt Tommy Vercetti stilecht ein Hawaii-Hemd oder einen cremeblauen Nobelanzug, fährt Fahrzeuge, die im Design an das Zeitalter angelehnt sind oder schläft in Apartments mit grässlicher Tapete. Man merkt wirklich zu jeder Zeit, dass der Titel Mitte der `80er spielt. Die Klischees sind schlichtweg nicht zu übersehen.
Aber nicht nur aus künstlerischer Sicht hat sich einiges getan, auch technisch kommt Vice City deutlich aufgemöbelt daher. Die Weitsicht wurde verbessert, die Charaktermodelle sehen um einiges schöner aus und man hat es geschafft, dass man nun über Vice City mit einem richtigen Flugzeug fliegen kann. Der größte technische Kritikpunkt wurde dennoch nicht beseitigt. Die Framerate konnte nicht stabilisiert werden und so muss der geneigte Vice City Besucher mit einigen Rucklern leben. Wenigstens kann man jetzt aber den Blur-Filter abstellen, der sorgt dafür, dass Bewegungen flüssiger aussehen und das Spiel bunter und farbenfroher erscheint. Dadurch wird die Grafik aber unscharf. Die Entscheidung hat der Spieler zu treffen.
Der größte Pluspunkt an Vice City ist jedoch der einmalige Soundtrack. Wie in GTA III gibt es Radiosender, die sich mit verschiedenen Musiksparten beschäftigen. Damit man nicht nur die Songs nacheinander hört, besitzt jeder Radiosender einen charismatischen DJ und (um das virtuelle Leben perfekt zu machen) diverse Werbespots. Diese triefen nur so von Ironie und Sarkasmus und sollten bei Leibe nicht ernst genommen werden. Wenn der Sinn einmal nicht nach Musik steht, schaltet man entweder das Radio ganz aus oder wechselt zu einem der Talk Radios, in denen rund um die Uhr über diverse Themen diskutiert wird. Aber gerade hier geht einiges an Verständnis flöten, da wie die (sehr gute) Sprachausgabe, alle Unterhaltungen in Englisch geführt werden. Man hat zwar als Stimmen Hollywood Größen wie Ray Liotta oder Jenna Jameson (ok, die ist in einem anderen Business eine Größe) gewinnen können, aber bei einem Millionenseller erwarte ich eine zusätzliche deutsche Sprachausgabe. Das ist auch der Grund, warum dem Spiel eine glatte 10er Wertung in diesem Bereich verwehrt bleibt.
Da eine komplette Aufzählung der Songs den Rahmen sprengen würde, gibt’s hier nur mal eine kleine Übersicht über die verschiedenen Radiosender im Spiel.
- Flash FM (Mainstream Popsender, der Musik a la Michael Jackson, Wang Chan und Inxs spielt)
- Wildstyle (selbst Rap und Hip & Hop haben ihren Ursprung in den `80ern, hört Sachen wie Mantronix, Grandmaster Flash und Herbie Hancook)
- Fever 105 (DJ Oliver „Ladykiller“ Biscuit führt durch eine Sendung mit Songs von Kool & the Gang, The Pointer Sisters und Fat Larry`s Band)
- VRock (der klassische Rock & Metal Sender, der Gruppen wie Slayer, Iron Maiden und Love Fist spielt)
- Radio Espantoso (Für alle Liebhaber latein-amerikanischer Klänge genau das Richtige)
- Emotion 98.3 (Hier gibt es eher besinnliche Musik mit Stücken von Kate Bush, Cutting Crew und Toto zu hören)
- Wave 103 (Was wären die `80er ohne diese Musikrichtung? Zu hören gibt’s Blondie, Gary Numan und Tears for Fears)
- VCPR Pressing issues (Chat Sender)
- K-Chat (zweiter Talk-only Radiosender)
Bevor das Fazit und somit das Ende der Rezension kommt, möchte ich noch einmal auf die Versionsunterschiede bei dem Spiel eingehen, denn um es klipp und klar zu sagen, die deutsche Version ist beschnitten. Schlimmer noch: War die Erstauflage wenigstens noch multi-lingual und auch in der ungeschnittenen englischen Fassung ohne Umstand spielen, wurde diese Version Jahre später indiziert und eine neue GTA: Vice City Version erschien auf dem Markt. Diese Version (an Hand der weißen Umrandung auf dem Cover zu erkennen), beinhaltet nur noch die deutsche Fassung. Diese Version ist zudem auch als Platinumfassung und im GTA: Doublepack erhältlich.
Was wurde nun also rausgeschnipselt?
- Blut wurde komplett entfernt
- Amokläufe (Rampages) wurden komplett entfernt (waren in GTA III noch enthalten)
- Eine Mission von Mad Bakers Bikergang fiel der Schere komplett zum Opfer
- Nach dem Töten hinterlassen Passanten kein Geld mehr
- Man kann keine Charaktere mehr köpfen
FAZIT:
GTA: Vice City muss man gespielt haben. Auch heute noch ist es ein Spiel, an dem eigentlich kein ernsthafter PlayStation 2 Spieler vorbei kommt. Die Atmosphäre ist einfach perfekt. Das fängt bei dem farbigen Booklet (als Reiseführer getarnt) an und hört bei dem grandiosen Soundtrack auf. An jeder Ecke im Spiel hört man berühmte Filmzitate, sieht `80er Anekdoten oder nimmt den schwarzen Humor wahr. Es ist das einzige Spiel, welches ich immer wieder herauskrame und spiele. Und dabei ist es egal, ob ich nur mit dem Auto durch die Gegend düse oder Missionen erfülle. Massenhaft Spaß ist garantiert.
Dennoch: Vice City ist nicht perfekt und für San Andreas hoffe ich, dass neben den vielen Neuerungen auch die Patzer der Vorgänger endlich behoben werden.
Pluspunkte:
- Einzigartige virtuelle Freiheit
- Riesiger Umfang
- Genialer Soundtrack
Minuspunkte:
- Ruckelnde Grafik
- Unbefriedigendes Zielsystem
- Keine deutsche Sprachausgabe