Schon wieder ein Spiel zu einem Film? Jeder Zocker weiß, dass meist drittklassige Entwickler aus abgelatschten Ideen bestenfalls drittklassige Spiele zusammenschustern. Wieso verschwenden wir unsere kostbare Zeit mit so einem Mist? Weil Toy Story 3 die glorreiche Ausnahme ist!
Zwei Spiele in einem
Die Levelauswahl in Toy Story 3 ist ganz stilecht ein Spielbrett, wo kleine Plastikhäuschen die acht verschiedenen Level darstellen. In deren Verlauf besuchen wir mit Woody, Jesse und Buzz einige wichtige Orte des Films wie Andys Haus oder den Sunnyside Kindergarten. Dabei hält sich das Spiel nicht sklavisch an die Vorgaben des Films, sondern geht in Sachen Leveldesign eigene Wege. So spielen wir in einem Level das Buzz Lightyear Videospiel oder erleben eine außer Kontrolle geratene Teeparty bei der Hexe Bonny. Den Film muss man dazu nicht unbedingt gesehen haben, da die Charaktergespräche genug Kontext bieten. Nach sechs Stunden flimmert der Abspann über die Mattscheibe und was nun? In der rechten Ecke des Spielbretts versteckt sich das zweite Toy Story 3, nämlich Woodys Heimatstadt und Open World Spielplatz namens „Woodys Roundup“.
Hüpfen, Springen, Werfen und Schießen
Beim Gameplay setzt Avalanche auf Altbewährtes. In den meisten Levels bin ich mit dem Trio Woody, Jesse und Buzz unterwegs und muss ihre Stärken ausnutzen, um voranzukommen oder um an die vielen Sammelobjekte zu kommen, die Belohnungen in Woodys Roundup freischalten. So kann Buzz die anderen hochheben und weit werfen, Woody hat ein Lasso mit dem er sich an Haken zu entfernten Plattformen schwingen kann und Jesse kann auf extrem kleinen Flächen landen und balancieren. Zudem darf ein zweiter Spieler im Coop einsteigen. Doch leider nicht jederzeit, denn das jeweilige Level wird dann von vorn gestartet. Die Levels sind meistens sehr offen angelegt und oft führen mehrere Wege ans Ziel. Daher gibt es auch abseits des Weges viel zu entdecken und das Spiel fühlt sich weniger schlauchig an. Der Schwierigkeitsgrad richtet dabei natürlich an Kinder, obwohl es hier und da schon Stellen gibt, die für ein so junges Publikum schon recht knifflig werden können – das gilt vor allem für einige Collectibles. Es ist und bleibt eben ein Spiel für einen Kinderfilm, doch wenigstens ist das Leveldesign nicht stinklangweilig. Es wird optisch wie spielerisch viel Abwechslung geboten und auch viel Wert auf kleine Details gelegt.
Willkommen im Westen, Partner
Die Open World ist schon eher was für die älteren Spieler. Das Gameplay in der Westernstadt kann als Red Dead Redemption für Kinder bezeichnet werden. Als einer der drei Hauptfiguren (und später noch der Weltraumbösewicht Zurg) entdecke ich die recht große Welt mit offenen Flächen und vielen verwinkelten Gängen. Bürgermeister Specky ernennt uns zum Sheriff und ich muss nun für eine blühende Stadt sorgen. Mit Aufträgen oder der Goldschürferei ver
diene ich mir Geld für meine ersten Gebäude, die ich in einem Spielzeuggeschäft kaufe und vergrößere meine Stadt immer weiter. Von einem Hutmacher über ein Gefängnis, eine Konditorei oder ein Hotel bis zur Post reicht das Angebot. Alle Gebäude lassen sich individuell gestalten, indem ich Wände, Türen, Fenster, Dächer und sonstige Dekorationen nach Gutdünken anpasse. Einige spezielle Gebäude wie Zurgs Raumhafen oder ein Spukhaus enthalten sogar noch ein eigenes separates Level, an dessen Ende ein neues für die Spielfigur benutzbares Item wartet (z.B. ein Zauberstab, Laser oder Blitzableiter). Mehr Gebäude bedeuten mehr Einwohner, was wiederum mehr Aufträge bedeutet. Deren Bandbreite ist groß. Mal müssen lediglich bestimmte Items gesammelt oder ein Botengang gemacht werden. Ein anderes Mal greifen Roboter oder Gargoyles die Stadt an oder Banditen rauben die Bank oder die Postkutsche aus. Mit der im Shop käuflichen Kamera müssen bestimmte Motive fotografiert werden oder ich muss einen Damm sprengen, um meine Stadt zu erweitern. Wenn ich eine Auszeit von den Missionen brauche, steige ich in eins der Autos und fahre in den Skate- oder den Stuntpark und tobe mich aus oder ich steige auf Bully (Woodys Pferd) oder auf einen verzauberten Drachen und mache mit ihnen ein paar Rennen. Auch die Plastiksoldaten aus den Filmen warten auf hohen Dächern oder Felsen darauf, dass ich sie per Fallschirm ins Ziel bringe. Oder ich gestalte die Einwohner meiner Stadt um, indem ich Klamotten, Frisur und Hut ändere. Wie bei den Gebäuden auch wird die Kreativität nur durch die zur Verfügung stehenden Outfits begrenzt, die überall in der Welt in kleinen Kapseln herumliegen – und davon gibt es mehrere Hundert. Es gibt also wirklich viel zu tun, es kommt so schnell also keine Langeweile auf. Woody Roundup bietet genug Inhalt für 10-15 Stunden, sogar noch mehr für die Komplettionisten unter uns.
Bunte Grafik und lahme Kamera
Die 1080p-Grafik imitiert den Stil von Pixar sehr gut, was zum einen meist simple Texturen bedeutet, aber die Verbindung zum Film wird sofort hergestellt. Auch bei den Animationen wurde darauf geachtet, den Vorbildern aus dem Film gerecht zu werden, was vor allem bei Woody und Bully positiv auffällt. Grundsätzlich hat Avalanche es geschafft, den Pixar-Stil sehr gut umzusetzen: Die Grafik nutzt die gesamte Farbpalette, es gibt viele Kleinigkeiten zu entdecken und Abwechslung wird groß geschrieben. Doch es gibt auch ein wenig Schatten im Grafik-Land. Einige Texturen, vor allem große wie das Spielbrett am Anfang, laden nur sehr langsam und unter erheblichem Aufwand, wie das Laufwerksgeräusch verrät. Im Falle des Spielbretts dauert es teilweise über 10 Sekunden (!!) bis die Textur komplett geladen ist und scharf dargestellt wird, aber das ist die große Ausnahme. Alle anderen laden innerhalb einer Sekunde, wenn es einem überhaupt auffällt. Eine optionale Festplatteninstallation hätte hier vielleicht helfen können. Dann wären eventuell auch die kurzen Ladezeiten zwischen den einzelnen Zonen der Open World weggefallen, aber da die Übergänge alle gut gewählt sind, stören sie das Spielgefühl nicht übermäßig. Die Steuerung ist einfach gehalten und wurde nicht mit unnützem Kram überladen, was wohl wieder der Kinderzielgruppe geschuldet ist. Auch die Kamera macht einen guten Job, mit einer Ausnahme. Wenn die Figur in einem Auto oder auf Bully sitzt, wird die Kamera ungeheuer träge und es dauert einfach zu lange, sie mit dem Analogstick zu drehen. Dies ist sonst nicht glücklicherweise der Fall. Seit dem Move-Release steht auch ein 60MB großer Patch bereit, doch das Ergebnis ist ernüchternd. Im Vorfeld war von Move-Support die Rede, doch wider Erwarten lässt sich das Spiel nicht mit Move spielen. Lediglich ein neues Spielzeug erscheint auf dem Spielbrett, hinter dem sich eine Western-Schießbude im Stil von The Shoot verbirgt. Nach der kurzen Kalibrierung bin ich auch schon mittendrin und schieße auf kleine Ziele, die von Banditen, Zügen und dergleichen mehr getragen werden. Als kostenlose Dreingabe nicht schlecht und vor allem präziser und spaßiger als die Demo von The Shoot, aber ich hatte mit einer kompletten Steuerung des Spiels mit Move gerechnet.
Klasse Synchro – Disney-Style
Wenn Disney eins kann, dann sind es gute Synchros in Film und Spiel – und Toy Story 3 bildet da keine Ausnahme. Fast alle Originalstimmen aus dem Film sind mit dabei, nur die „teuren“ Stimmen von Bully Herbig und Rick Cavanian fehlen. Das ist allerdings zu verschmerzen, da die Ersatzstimmen von Rex und Woody machen ihre Arbeit sehr gut. Die Dialoge sind gut gesprochen und durchweg von hoher Qualität, was ich in anderen Games leider oft schmerzlich vermisse. Auch die Soundkulisse kann überzeugen, weil sich auch hier wieder am Film orientiert wurde. Es klingt alles wie aus dem Film und nicht wie aus irgendeiner schlechten Soundbibliothek. Die Hintergrundmusik ist ebenfalls immer passend gewählt, außer in der Open World, wo zu unpassenden Stellen einzelne Soundfetzen eingespielt werden. Aber alles in allem gibt es für die Ohren nichts zu meckern, auch wenn man keine Luftsprünge vor akustischem Glück macht.
FAZIT:
Toy Story 3 schafft, was nur sehr wenige Filmspiele schaffen: Es taugt was! Avalanche ist ja mit Lizenzspielen bestens vertraut und diesmal liefern sie ihr Meisterstück ab. Vor allem die Open World ist äußerst spielenswert, der Story-Modus bietet dagegen zwar nur Standardkost, aber ebenfalls auf hohem Niveau. Toy Story 3 zeigt, dass es sich lohnt, Geld und Arbeit in diese Art von Spielen zu investieren. Dazu spricht es genau wie der Film sowohl Kinder als auch Erwachsene an. Das einzige Problem ist, dass es jetzt wieder unzählige Jahre dauert, bis das nächste brauchbare Spiel zu einem Film erscheint.
[ Review verfasst von Sanguinis ]
Pluspunkte:
- Abwechslungsreiche Open World und Story-Modus
- Fast alle Originalsprecher und eine gute Synchro
- Imitiert den Pixar-Stil perfekt ohne am Film zu kleben
Minuspunkte:
- Manchmal zu spät ladende Texturen
- Lieblose Storylevels
- Kurze Ladezeiten in der Open World