Es gibt nur wenige Dinge, über die sich auch systemübergreifend die meisten Gamer absolut einig sind: Spiele zu Filmen sind Schrott! Ubisoft und Lightstorm Entertainment, der Firma von James Cameron, haben es sich zum Ziel gemacht, dieses eiserne Gesetz mit Avatar zu brechen.
Harmonie oder Habgier?
Der erste Schritt zu einer gelungenen Umsetzung war es schon, das Spiel zwei Jahre vor dem Film und auf einem anderen Teil von Pandora anzusiedeln. So kommt man dem Film nicht in die Quere, kann dabei aber immer noch aus seiner reichen Welt schöpfen, was Ubisoft auch fleißig getan hat. Nachdem die eigene Spielfigur aus einer Vielzahl recht ähnlicher Designs gewählt wurde, sitzt sie auch schon im Shuttle nach Pandora. Dort angekommen lernen wir unseren Avatar kennen und besuchen die eingeborenen blauhäutigen Na’vi. Ziemlich schnell wird klar, das es einen Spion in den eigenen Reihen gibt und wir sollen ihn entlarven. Dabei stoßen wir auf die dunklen Machenschaften der RDA und müssen uns für eine Seite entscheiden. Wer bei der RDA bleibt, muss ab sofort auf den Avatar verzichten und als Mensch rumlaufen. Die Missionen sind so, wie man es von einer skrupellosen Firma erwartet: schnörkellos und geradeaus, denn sie bestehen stets aus Aufträgen der Marke „Gehe zu A, zerstöre B, um mir C zu bringen“. Wer lieber den Na’vi hilft, läuft den Rest des Spiels nur noch in Blau herum und darf sich an einer geringfügig längeren Kampagne mit abwechslungsreicheren Missionen erfreuen. Letztlich laufen die beiden Geschichten leider in dieselbe Richtung. Die Spielzeit ist mit 7-9 Stunden pro Kampagne akzeptabel ausgefallen.
Rambo oder Taktiker?
Die Frage nach der eigenen Seite im Konflikt ist auch die Frage nach dem eigenen Spielstil. Die RDA hat ein beachtliches Arsenal, bestehend aus Sturmgewehren, Flammenwerfer, Nailgun, Pistolen, MG und Granatwerfer – jeweils in verschiedenen Versionen verfügbar. Wer also gut aufpasst, muss nie einen Gegner aus der Nähe sehen. Das wäre auch ungesund, denn einen Nahkampfangriff gibt es nicht. Auch an fahrbaren Untersätzen mangelt es nicht. Egal ob per Buggy, Raketenschlitten, bewaffnetem Geländewagen, Helikopter, Kampfroboter oder Luftkissenboot, die RDA ist sehr mobil, um damit durch die teils großen Level zu kommen. Die Na’vi hingegen sind Nahkämpfer mit Äxten, Keulen, Stäben und Doppelklingen. Für den Fernkampf stehen lediglich ein Bogen, eine Armbrust und ein MG aus RDA-Beständen zur Verfügung. Zudem sind die Na’vi knapp drei Meter groß und somit ein leichtes Ziel, so das der Spieler gezwungen ist, den Dschungel zu seinem Vorteil zu nutzen. Überall gibt es Ranken und Äste, die begehbar sind, um so den Feind von oben mit dem Bogen unter Beschuss zu nehmen oder sich heranzuschleichen. Wer nur auf den Feind zuläuft, um in den Nahkampf zu gehen, kommt nicht sehr weit. Dabei helfen die für beide Seiten nutzbaren Skills. Mit ihnen kann der eigene Schaden erhöht und der feindliche verringert werden, zusätzlich gibt es auch einen Heilungsfertigkeit. Sollte das immer noch nicht reichen, kann vielleicht ein Luftangriff helfen. Wer den Kampf gleich ganz vermeiden möchte, kann sich auch kurzzeitig unsichtbar machen, um vorbei zu schleichen. Als RDA sind das nette Dreingaben, die selten gebraucht werden, als Na’vi sind sie wichtige Grundlage.
Abwechslung oder Sammelwut?
Das Gameplay ist auf weiten Strecken sehr solide, leidet jedoch an ein paar Unstimmigkeiten, die einem zwar nie den Spaß verderben, aber dennoch ins Auge stechen. Der Dschungel beispielsweise ist teilweise zerstörbar, vor allem der Flammenwerfer ist hier sehr effektiv. Und obwohl sich das so gelegte Feuer ausbreitet, schadet es bei Kontakt komischerweise nur selten dem Feind. Nur der Strahl aus der Waffe selbst ist zuverlässig tödlich. Die Level, in denen besagter Dschungel steht, sind leider recht schlauchig, so das man im Vorfeld schon weiß, wo es Action geben wird, da es dort breiter wird. Dafür stimmt die Größe der Level und es gibt genügend Möglichkeiten, sich auch nach oben zu bewegen und dies für sich auszunutzen. Um sich schnell durch die Areale bewegen zu können, gibt es immer wieder Teleportpunkte, die auch Zugang zum „Conquest“ genannten Minigame gewähren. Die in der Kampagne gesammelten Erfahrungspunkte werden hier in Geld umgewandelt, mit dem Einheiten gekauft werden können, um so ähnlich wie beim Brettspiel „Risiko“ den Planeten zu erobern. Jedes eroberte Territorium verleiht dem Spieler einen Bonus in der Kampagne, wie z.B. mehr Gesundheit, mehr Panzerung, höhere Reichweite oder mehr Schaden. Ein weiteres innovatives Element ist eine Art Extraleben durch Zellproben, die ihr auf Pandora findet. Habt ihr genug davon beisammen, könnt ihr dem Tod noch einmal entgehen und rappelt euch komplett geheilt wieder auf. Wer gerne mehr über die Welt von Avatar erfahren möchte, kann per Tastendruck alle möglichen Dinge in der Welt scannen und in die Pandorapedia eintragen, wo weitere Informationen zu finden sind.
Ein großes Problem von Avatar ist die fehlende Abwechslung. Die Missionen – vor allem bei den Na’vi – geben sich redlich Mühe, nicht immer gleich zu wirken, obwohl sie es mehr oder weniger sind. Es ist nicht so schlimm, dass man gleich vor Langeweile den Controller weglegen will, aber ein bischen mehr wäre schön gewesen. Auch gut inszenierte Boss Fights sucht man vergeblich, es gibt lediglich Gegner, die ein wenig mehr einstecken können als der Rest. Auch die Präsentation der Missionen und Storyentwicklung ist nicht mehr als Mittelmaß. Nur kleine Sequenzen rücken hier und da die Ereignisse besser in den Blick – von hollywoodreifen Kamerafahrten ist keine Spur. Hier wurde viel Potential verschenkt, um die Atmosphäre zu vertiefen, die die stimmige Dschungelkulisse schon gut aufgebaut hat. Dazu kommt, dass es keine richtigen Nebenquests gibt, nur so genannte Sektoraufgaben, die aber auch nur Altbekanntes á la „Töte X Na’vi“ oder „Sammle X Zellproben“ enthalten und als Belohnung winken nur zusätzliche Erfahrungspunkte, keine Ausrüstung oder dergleichen. Hier kommt der Pseudo-RPG-Aspekt ins Spiel. Für erfüllte Quests, getötete Tiere etc. gibt es Erfahrungspunkte, die neue Waffen, Rüstungen und Skills freischalten – und zwar vollkommen automatisch. Es gibt keine Punkte zu verteilen und keine Spezialisierungen zu wählen, was das gesamte XP-System flach erscheinen lässt und keine Charakterentwicklung ermöglicht.
Pracht oder Langeweile?
Blicken wir nun auf den Schauplatz des Geschehens, den kleinen Mond Pandora. Ganz so imposant wie im Film ist die Grafik natürlich nicht, doch die aus Far Cry 2 bekannte und aufgebohrte Dunia Engine schafft es, eine glaubhafte und dennoch fremdartige Dschungelwelt auf den Bildschirm zu zaubern. Vor allem die bei Dunkelheit hervorstechende leuchtende Vegetation mit Lichtpunkten unter jedem Schritt der Figuren ist sehr gelungen, leider bekommt man sie viel zu selten zu Gesicht. Die Figurenanimation ist recht steif geraten, vor allem die RDA leidet darunter, die Na’vi weniger und die zahlreichen Wildtiere bewegen sich am flüssigsten. Die Variation und Glaubwürdigkeit der Bewegungen ist ausreichend, aber kommt nicht ansatzweise an Ezio oder Drake heran. Die Performance ist durchwachsen. Einerseits gibt es nur wenig und sporadisches Tearing, andererseits leidet Avatar unter ständigen Pop-Ups. Glücklicherweise sind es nur kleine atmosphärische Details wie zusätzliche Grasbüschel, wirklich Wichtiges poppt nie auf – störend ist es dennoch. Wahrhaft visionär ist nur die Unterstützung für 3D-fähige Fernseher, die erst später in den Handel kommen. Ob dieses Feature etwas taugt, wird sich dann erst zeigen. Wahrhaftig uninspiriert hingegen ist die deutsche Synchronisierung. Während die wenigen aus dem Film bekannten Rollen von den offiziellen deutschen Stimmen gesprochen werden und so ein gewisses Niveau sichern, sind alle restlichen Stimmen mitunter sehr lieblos bei der Sache. Dankenswerterweise ist die bessere englische Tonspur enthalten, sofern die Systemsprache der Konsole ebenfalls Englisch ist.
Chance oder Kosmetik?
Der Multiplayer-Modus kommt mit einer sehr komfortablen Bedienung daher, die mit übermäßiger Simplizität erkauft wurde. Es stehen fünf altbekannte Spielmodi zur Wahl: Capture The Flag, Capture & Hold, King of the Hill, Team Deathmatch und Final Battle. Im letzteren müssen Raketen (RDA) bzw. Kristalle (Na’vi) beschützt werden, während das andere Team sie zerstören muss. Jeder Modus kann auf zwei Karten gespielt werden, es stehen also zehn Karten zur Wahl. Die eigene Spielfigur darf mit allem Equipment aus der Kampagne angepasst werden. Rüstungen und Waffen haben allerdings rein kosmetischen Charakter, ihre Werte sind immer gleich. Selbsterstellte Matches dürfen so gut wie gar nicht angepasst werden, so dass sich schnell Langeweile einstellt und die Spielerzahlen schnell im Keller landen. Ein mit 16 Spielern voll besetztes Deathmatch ist leider äußerst selten, 4-8 Spieler sind eher die Regel, in den anderen Modi eher weniger. Dabei ist der Netzcode sehr ordentlich programmiert und bietet lagfreie, flüssige Resultate ohne grafische Abstriche.
FAZIT:
Der große Wurf ist Ubisoft mit Avatar nicht gelungen, aber zumindest ein Teilerfolg kann ihnen attestiert werden: Avatar ist bei weitem nicht so schlecht wie der restliche Lizenzmüll da draußen. Aber eben auch kein Hit. Dazu gibt es zu viele Pop-Ups, zu wenig Abwechslung, zu wenig Feinschliff und einen zu langweiligen Multiplayer. Dafür funktionieren das Conquest Minigame, die Extraleben-Mechanik und die Dschungelatmosphäre tadellos. Eine Zukunft als 3D-Game-Demo wird Avatar wohl nicht erspart bleiben und das eigentliche Spiel schnell in der Versenkung verschwinden.
[ Review verfasst von Sanguinis ]
Pluspunkte:
- Na’vi-Kampagne
- Conquest-Minigame
- Passende Atmosphäre, die dem Film gut nachempfunden ist
Minuspunkte:
- RDA-Kampagne
- Technisch unsauber (Pop-Ups, leichtes Tearing)
- Zu wenig Abwechslung in Kampagne und MP