Was lange währt, wird endlich gut. So oder so ähnlich könnte man Gran Turismo für die PSP beschreiben. Angekündigt bereits im Jahr 2004 (!), findet Polyphonys Rennspielserie nun endlich auch den Weg auf die PSP. Fast ein bisschen überraschend könnte man sogar meinen, denn ein definitiver Releasetermin wurde erst auf der diesjährigen E3 im Juli angekündigt. Aber seis drum, Totgesagte leben länger und daher schauen wir nun, was der Vorzeige-Racer auf der PSP für eine Figur macht und ob der Name Gran Turismo auch mobil für Fahrgenuss auf höchstem Niveau steht.
Keine Karriere in Zeiten der Wirtschaftskrise?
So etwas muss sich Polyohony Digital wohl gedacht haben, denn der berühmte Karrieremodus der GT-Reihe fehlt vollständig. Keine Lizenzen die man machen braucht, keine Fahrzeugklassen-bezogenen Rennen, kein Tuning, kein neuer Stern am Racer-Himmel. Stattdessen sind alle Strecken mehr oder weniger von Beginn an frei geschalten und die bekannten Lizenz-Tests sind nun ein eigener Menüpunkt namens Fahrherausforderungen. Kann man machen, muss man aber nicht. Natürlich, der echte GT-Fan wird diese Herausforderungen sofort annehmen und um Medaillen kämpfen. Abgesehen von einer Menge Credits für den Fahrzeugkauf springt dabei aber nichts Wirkliches heraus. Der normale Einzelspielermodus ist ebenfalls recht simpel geraten: Modus auswählen (Rennen, Zeitfahren oder Driftrennen), Fahrzeug auswählen, Strecke auswählen (von denen satte 45 zur Verfügung stehen, inkl. Nürburgring!) und los geht`s! Die maximal drei Computergegner werden automatisch vom Spiel ausgesucht und passend zur Stärke des eigenen Wagens gewählt. Hier hat man zudem noch die Möglichkeit, durch gute Ergebnisse im Rang zu steigen, dass nächste Rennen auf der Strecke mit dem gleichen Wagen wird somit etwas schwerer. Zudem, je besser man das Rennen abschließt, desto mehr Credits für die nächsten Neuerwerbungen gibt es.
Apropos Fahrzeugkauf - hat man endlich das Geld für seinen Traumwagen zusammen, legt einem Gran Turismo noch einen kleinen (oder großen) Stein in den Weg diesen auch käuflich zu erwerben. Denn im Gegensatz zur Realität und den großen Brüdern, sind auf der PSP nicht alle Fahrzeughändler einfach frei besuchbar, nein, nur vier Händler pro Spieltag warten auf Kundschaft. Anfangs ist dieses Feature nicht mal schlecht und man ist bei jedem neuen Tag gespannt welche Händler und Fahrzeuge jetzt zur Auswahl stehen, mit der Zeit wird es aber extrem nervig. Auch deshalb, weil man von den Rennen oder Herausforderungen nie sehen kann welche Händler jetzt da sind, man muss jedes Mal zurück ins Hauptmenü gehen. In meinen Augen einer klarer Usability-Fehler. Aber dem ist noch nicht genug, denn selbst wenn der erhoffte Händler endlich dabei ist, heißt das noch lange nicht, dass er auch das gewünschte Auto hat. Jeder Händler kann acht Fahrzeuge pro Tag anbieten, umfasst sein Angebot aber mehr Fahrzeuge, kann es durchaus sein, dass nun eben gerade die acht falschen Autos im Laden stehen. Somit heißt es wieder warten, bis der Händler das nächste Mal öffnet. Auch gibt es keine Übersicht oder einen Kalender, der anzeigt wann welche Markenhändler drankommen. Daher heißt es immer tapfer ins Hauptmenü gehen und schauen. Ich persönlich halte das für das schlimmste Manko im Spiel. So nett die Idee dahinter auch sein mag, es wurde einfach miserabel umgesetzt. Über den fehlenden Karrieremodus kann ich hinwegsehen, bastle ich mir halt meine eigene Karriere, aber das man den Fahrzeugkauf so dermaßen verschlimmbessert hat ist schon sehr schade.
The drive of your life?
Nun aber erstmal genug von den Schattenseiten, treten wir ins Licht und genießen den Höhepunkt des Spiels: Das eigentliche Fahren! Ich muss gestehen, ich war etwas skeptisch, vor allem da mich persönlich Gran Turismo 5: Prologue auf der PlayStation 3 vom Fahrverhalten her nicht ganz überzeugt hat. Aber das hier: WOW!!! So was habe ich auf der PSP noch nicht erlebt! Die Fahrzeuge steuern sich absolut fantastisch, es macht einen unglaublichen Spaß mit ihnen zu fahren und wirklich jedes Auto steuert sich individuell anders. Hier ist Polyphony ein Meisterstück gelungen, das seinesgleichen sucht! Dabei vergisst man dann auch völlig, dass man nur gegen drei Gegner fährt oder die KI der Computerfahrer nicht viel mehr als „Ideallinie" kennt. Zudem hat sich die Heck-Kamera erheblich verbessert, sie ist nun endlich dynamisch und nicht mehr so starr wie in den bisherigen Teilen, was das Fahren so um einiges schöner macht. Und sogar eine Pseudo-Cockpit-Perspektive hat es ins Spiel geschafft. Auch Bodenwellen und Unebenheiten werden perfekt simuliert, eine Fahrt auf dem Nürburgring ist auch auf der PSP ein Erlebnis für sich. Selbst der Sound der Fahrzeuge klingt individuell und sehr kernig, hier seien Kopfhörer empfohlen um in den vollen Genuss zu kommen. Das einzige Manko das ich hier bemerkt habe, ist, dass man beim Überfahren der Curps fast nichts davon hört. Es scheint fast als wäre der Effekt einfach vergessen worden. Aber seis drum, so sehr das Spiel bei gewissen Punkten patzt, beim Gameplay an sich ist das kleine Gran Turismo ganz groß und weiß absolut zu begeistern!
Neben dem Gameplay war aber auch die phantastische Grafik immer ein Markenzeichen der Gran Turismo Reihe und Polyphony hat sich angestrengt, dass auch auf der PSP dieser Nimbus weitergeführt wird. So läuft das Spiel mit für PSP fast unglaublichen 60fps, wenn man da an manch andere Racer denkt, die so immer knapp an der ruckelfreien Framerate-Grenze vorbeischrammen, ist das eine beachtliche Leistung! Auch die Fahrzeuge sehen sehr gut und detailliert aus, bei der Umgebung richtet es sich nach den Strecken. Eine Stadtstrecke oder Waldkurs macht logischerweise mehr her als eine recht öde normale Rennstrecke. Leider gibt es aber ein Manko, dass die Qualität der Grafik wieder etwas mindert: An den Texturübergängen treten mal mehr, mal weniger häufig weiße Punkte auf, die auf einen unsauberen Übergang schließen lassen. Auf manchen Strecken ist es sehr extrem, da blitzen und blinken die weißen Punkte dann alle paar Meter auf. Auf anderen Strecken sieht man es so gut wie gar nicht. Hier wäre ein Update wünschenswert, zieht dieser Grafikfehler den Gesamteindruck doch etwas herunter. Ansonsten ist das Spiel sehr sauber, geizt aber mit jeglichen Effekten. Gefakte Spiegelungen auf dem Lack? Fehlanzeige, alles absolut statisch. Nur im Replay lassen sich Lackeffekte etwas erahnen. Sogar Licht-/Schatteneffekte gibt es teilweise nicht, fährt man unter eine Brücke durch, verdunkelt der Schatten nicht mal das Fahrzeug. Das sind zwar alles Kleinigkeiten, aber von einem Gran Turismo ist man einfach eine etwas andere Qualität gewohnt. Vielleicht muss hier einfach Tribut an die Framerate oder die Physik gezahlt werden. Das Spiel bietet übrigens eine Komplettinstallation aller Daten an, hierfür sollten allerdings über 970 MB auf dem Memory Stick (oder dem Flash-Speicher der PSPgo) zur Verfügung stehen. Man kann es auch ohne Installation direkt von UMD spielen, aber die Ladezeiten sind dann doch teilweise sehr lang.
Gemeinsam einsam?
Nachdem die PSPgo ja nun erschienen ist und als erster „Online-only" Handheld vermarktet wird, wäre ein Online-Modus für Gran Turismo ja wohl das Mindeste gewesen! Jede PSP ist WLAN-fähig. Mir ist es darum etwas schleierhaft, weshalb auch hier wieder mal nur ein Ad-Hoc-Modus angeboten wird. Gerade ein Online-Multiplayer-Modus könnte das Spiel nochmals beträchtlich aufwerten, da man zum Beispiel auch Fahrzeuge mit anderen Spielern tauschen und teilen kann, aber leider geht das nicht. Wer also gegen Freunde fahren will, sollte sich in der Nähe eben dieser befinden. Hier sollte Sony generell langsam mal anfangen neue Wege zu beschreiten! Ehrlich gesagt ist es schon etwas schwach, dass man mit der PSP, die perfekt fürs Online-Gaming vorbereitet ist, nach wie vor bei den meisten Spielen nicht online spielen kann.
FAZIT:
Ich bin begeistert und etwas verärgert zugleich. Noch nie hat mir ein Rennspiel auf der PSP so sehr gefallen wie Gran Turismo und gleichzeitig habe ich mich noch bei keinem Rennspiel so sehr an gewissen Design-Fehlern gestört. Kurz: Das Fahrverhalten und Gameplay sind mit dass Beste, was man auf der PSP vorfindet. Trotzdem könnten wohl gerade Gran Turismo-Fans von dem Spiel enttäuscht sein. Der fehlende Karrieremodus und vor allem die Idee mit den nur vier Autohändlern pro Tag sind sehr zweifelhaft. Ich würde sagen, wer Autosimulationen mag wird Gran Turismo lieben. Wer Gran Turismo mag, sollte Gran Turismo für PSP vorher auf jeden Fall anspielen. Wer seine Motivation vor allem aus einem Karrieremodus zieht könnte hier schnell gelangweilt sein. Polyphonys Einstand auf der PSP ist in gewisser Weise ein kleines Meisterstück, das aber an vielen Stellen noch einiges an Feintuning benötigt. Aber wer weiß - eine Aktualisierungsfunktion hat das Spiel ja schon und vielleicht kommt da noch das Eine oder Andere.
[ Review verfasst von Pry ]
Pluspunkte:
- Phantastisches Fahrverhalten
- Viele Autos und Strecken
- Läuft mit satten 60fps
Minuspunkte:
- Nerviges Autohändler-System
- Nein Online-Multiplayer-Modus
- Kleinere Grafikfehler
crack-king meint:
Jahre hat es gedauert bis Gran Turismo für die PSP endlich erschienen ist und ist sogleich auch ein zweischneidiges Schwert. Einerseits hat ein Handheld noch nie eine bessere Rennspielsimulation gesehen und das obwohl Steuerkreuz und Analog-Nub nicht unbedingt als Non-Plus Ultra der Steuerungsmethoden gelten! Trotzdem hat es Polyphony geschafft dem ganzen genug Feingefühl zu geben, sodass man kaum Probleme mit dem Fahren des Fahrzeuges hat. Zudem merkt man auch wieder die Detailverliebtheit der Entwickler bei den Fahrzeugen, denn jedes hat seine eigenen Besonderheiten und fährt sich auch dementsprechend anders. Leider konnte Polyphony das Niveau nicht beim Umfang oder allgemein bei manchen Designentscheidungen halten. Denn was man sich gedacht hat, als man keinen Karriere-Modus und die nur vier Autohändler pro Tag eingebaut hat, bleibt wohl ein Rätsel. Das eine kann man ja zumindest damit entschuldigen, dass das Spielen auf einem Handheld für Zwischendurch gedacht ist und somit ein langwieriger Karriere-Modus fehl am Platz wäre. Allerdings spielt manch einer auch gerne zu Hause auf einem Handheld. Zudem würde so ein Modus auch genügend Motivation bieten, um das Spiel immer weiter zu zocken. Aber das Problem mit den Autohändlern ist wohl nach einer langen Sauftour entstanden. Denn dafür gibt es meiner Meinung nach keine plausible Entschuldigung. Warum sollte ich auf bestimmte Fahrzeuge im Spiel mehrere Tage warten müssen?! Wenn ich das Geld habe, will ich zum Beispiel jetzt direkt einen Bugatti Veyron kaufen und nicht erst in zwei Spieltagen. Diesen herben Designschnitzer entschuldigt auch nicht die Grafik, die wirklich super ist und schon fast PS2-Niveau erreicht. Trotzdem: Gran Turismo für die PSP ist nicht für Jedermann. Wer nur eine Simulation auf einem Handheld sucht, wird hier fündig. Wer aber gerne Autos sammelt und die Karriere-Leiter aufsteigen will, wird hier nicht glücklich werden.
.ram meint
Gewissermaßen bin ich vom ersten Gran Turismo auf der PSP enttäuscht. Denn nun ja - ich habe Gran Turismo 4 ausführlich gespielt und das aktuelle Spiel wirkt auf mich nur wie ein Remix von diesem Spiel. Alles schon gesehen und tausendmal gefahren - Neuerungen sucht man fast vergeblich. Das es dann nicht einmal einen richtigen Karrieremodus gibt, schmälert meinen Enthusiasmus weiter. Nicht das, ein solcher Modus in den PS2 Spielen etwas Besonderes gewesen wäre, aber er diente nun mal als Antrieb, auch weiterhin Autos zu sammeln. So muss man immer wieder den inneren Schweinehund überwinden, um normale Rennen zu starten! Was mich aber richtig aufregt, ist das Fehlen eines Onlinemodus - denn damit hätte ich auch den vermissten Karrieremodus verkraften können. Zumal sich eben dieses Feature auf einem Internet-fähigen Handheld angeboten hätte (und natürlich von den Fans lange ersehnt wurde). Technisch gibt es dagegen wenig zu bemängeln. Die Ladezeiten halten sich in Grenzen, die Grafik ist flüssig und sieht gut aus (abgesehen vom extremen Ghosting) und die Steuerung wurde hervorragend auf der PSP realisiert. Unterm Strich gibt es ein umfangreiches, aber auf Dauer wenig motivierendes Autorennspiel, das vor allem Freunde des Vorgängers vergellen dürfte. Da habe ich mehr erwartet.