Sucker Punch - ein kleines Entwicklerstudio aus dem beschaulichen Bellevue in den USA, wurde 2002 bekannt als sie mit Sly Cooper ihr erstes Spiel für die PlayStation 2 entwickelten. Hauptdarsteller war ein quirliger Waschbär. Da das Spiel großen Anklang in der Community fand, waren Nachfolger natürlich obligatorisch. Seit dem Erscheinen des dritten und bisher letzten Teils der Sly Cooper-Serie ist bereits etwas Zeit ins Land gezogen. In der Zwischenzeit wurde die PS3 veröffentlicht, doch anstatt einen der Sly Cooper-Serie einen weiteren Teil zu spendieren, entwarfen die Jungs von Sucker Punch ein komplett neues Spiel. Die Rede ist natürlich von inFAMOUS! Ob Sucker Punch damit wieder einen Hit landet, erfahrt ihr in unserem Review.
Apokalypse now!
Eine riesige Explosion! Weite Teile der Stadt Empire City liegen in Schutt und Asche. Mitten im Zentrum der Explosion wacht Cole Maggrath auf. Er kann sich an nichts mehr erinnern, die einzige Frage ist wie und warum er überleben konnte. Alle anderen um Maggrath herum sind tot, wohingegen er nahezu unversehrt davon gekommen ist. An diesem Punkt geht das Spielgeschehen los. Ihr versucht euch also zunächst so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Auf der Flucht zeigt sich euch ein grauenhaftes Bild der Zerstörung. Durch die Explosion beginnt Empire City im Chaos zu versinken. Hinzu kommt, dass die Regierung die ganze Stadt abgeriegelt hat und Lebensmittel deshalb nun kaum noch in die Stadt gelangen, was natürlich Kämpfe nach sich zieht. Als wäre das nicht schlimm genug, versuchen rebellische Gruppierungen die Kontrolle über die Stadt zu übernehmen. Ein Superheld wäre jetzt natürlich das Beste, aber woher einen nehmen? Tja, ihr selbst seid einer. Cole merkt recht schnell, dass ihm die Explosion übermenschliche Fähigkeiten verliehen hat. Er kann Elektrizität kontrollieren und ist quasi eine lebende Batterie, die auch Blitze schleudern kann. Mit der Zeit erfährt der Spieler, dass alles anders ist, als es scheint. Cole Spielt eine große Rolle bei den Geschehnissen um die Explosion in Empire City. Die entscheidende Frage für das Spielgeschehen ist letztendlich, ob man überhaupt Retter der Stadt sein will oder seine Fähigkeiten doch zum eigenen Nutzen verwenden will? Die Wahl liegt nämlich bei euch.
Das Karma rächt sich - immer
Ihr werdet im Spiel relativ oft vor diese Wahl Gut oder Böse gestellt. Jede Handlung und jede Aktion wirkt sich anders auf euer Karma aus, was in der so genannten Karma-Anzeige niederschlägt. Abhängig von Eurem Verhalten verhält es sich mit Eurer Gesinnung - eben Gut oder Böse. Aktionen wie zum Beispiel ein kleiner Amoklauf wirken sich natürlich negativ auf das Karma aus - verletzte Passanten zu heilen hingegen positiv. Einen Mittelweg gibt es nicht! In bestimmten Szenen wird Cole vor die Wahl gestellt und muss sich für Gut oder Böse entscheiden. Solche Schlüsselszenen haben in der Regel auch Auswirkungen auf das weitere Spielgeschehen. Wie sich Coles Karma entwickelt ist besonders im Bezug auf seine Kräfte von Belangen. Wie in einem RPG erhält man nämlich für alle Aktionen Erfahrungspunkte, die der Spieler in Upgrades von Coles Fähigkeiten investieren kann. Schade nur, dass dem Spieler beispielsweise die bösen Kräfte verwehrt bleiben, wenn man sich für den guten Weg entschieden hat - umgekehrt ebenfalls.
Superhelden und GTA - Eine gute Mischung?
Gameplaytechnisch hat man sich bei Sucker Punch an Open World-Spielen wie Grand Theft Auto IV & Co. orientiert. Denn auch in inFAMOUS ist die Stadt komplett begehbar und Cole erhält seine Aufträge von verschiedenen Informanten, die sich meist über Handy melden. Die Missionen gestalten sich sehr abwechslungsreich und wirken nicht unsinnig im Spielgeschehen platziert. Im Gegenteil sie passen allesamt in die Storyline und treiben diese auch voran. So erhält Cole beispielsweise anfangs den Auftrag die Stromversorgung in einem Teil von Empire City wiederherzustellen. Als Konsequenz kehrt, neben dem nun wieder fließenden Strom auch wieder Leben in den Stadtteil ein und die Menschen beginnen mit dem Wiederaufbau. Diese Veränderungen der Stadt lassen sich während des ganzen Spiels mitverfolgen. Klar auch, dass sich Feindkontakt nicht vermeiden lässt! Da in Coles elektrischen Händen jeder Revolver explodieren würde, muss er sich im Kampf auf seine Kräfte verlassen, wobei das Spiel plötzlich zum Third-Person Shooter wird: Wird die L1-Taste gedrückt, erscheint ein Zielkreuz auf dem Bildschirm, was das Zielen natürlich wesentlich vereinfacht. Trotz seiner Blitze, Blitzgranaten und vielem mehr sind die Kämpfe kein Kinderspiel. InFAMOUS verlangt dem Spieler einiges an taktischem Vorgehen ab. Ganz wichtig ist während des Gefechts vor allem die Deckung zu suchen und sich regelmäßig mit Strom zu versorgen. Viele Fähigkeiten verbrauchen Energie, was bedeutet, dass die "Batterie" wieder aufgeladen werden muss. Mit der Zeit bekommt man aber Übung was das angeht.
Neben den zahlreichen und auch abwechslungsreichen Haupt- und Nebenmissionen kann man die Stadt natürlich auch einfach so erkunden. Da Cole als Superheld einige Vorteile gegenüber den Normalsterblichen genießt, kann man mit ihm allerhand Unfug treiben. So zum Beispiel wenn man ihn von einem Wolkenkratzer stürzt und den Aufprall mit einer riesen Schockwelle feiert. Zudem macht sich Coles alter Kurierjob bezahlt. Er kennt die Stadt nicht nur wie seine Westentasche, sondern ist auch ein exzellenter Fassadenkletterer. Die Kollisionsabfrage des Spiels fällt deswegen relativ großzügig aus und das Spiel hilft bei den Klettersequenzen auch gelegentlich mal nach. Leider können Klettereien deshalb auch manches Mal in die Hose gehen, wenn das Spiel Cole in eine andere Richtung lenkt, als man mit ihm eigentlich wollte. Insgesamt wirkt das ganze Klettersystem deshalb nicht ganz so flüssig gelöst, wie beim Platzhirsch Assassins Creed wobei man im Vergleich dazu mehr Freiheiten hat.
Nichtsdestotrotz merkt aber irgendwann, dass abseits der Aufgaben nicht viel zu tun ist. Das fällt dann besonders auf, wenn alle Missionen abgeschlossen sind und nicht einmal mehr Rebellen auf den Straßen auftauchen, gegen die man kämpfen könnte. Hier hätte sich Sucker Punch durchaus noch mehr einfallen lassen können, um den Spieler länger bei der Stange zu halten. Nachdem mal also etwa 15 Stunden bis zum Abschluss der Story gebraucht hat, bleibt kaum etwas anderes übrig als das Spiel von neuem zu beginnen und mit gegenteiliger Gesinnung durchzuspielen, oder das Spiel endgültig im Regal verschwinden zu lassen. Hier hat man einiges an Potential liegen lassen.
Superheldengrafik?
Das Open World-Spiele sich nicht unbedingt an der Spitze der Grafikranglisten tummeln, ist kein Geheimnis. Die meiste Rechenleistung geht nun mal für die Berechnung der Spielumgebung drauf. Trotzdem, inFAMOUS liefert grafisch ordentlich was ab. Die ganze Stadt ist wunderbar ausmodelliert. Obwohl das Spiel mit leichtem Aliasing, minimalen Slowdowns und dem ein oder anderen Pop-In von matschigen Texturen zu kämpfen hat, wirkt sich das nicht im Geringsten störend auf das Gameplay und den Gesamteindruck aus. Das liegt vor allem daran, dass diese Probleme wirklich nur minimal auffallen - das Spiel wirkt grafisch einfach wie aus einem Guss. Obwohl es sich also um keinen absoluten Grafikknaller handelt, versprüht inFAMOUS seinen ganz eigenen Charme und lässt einen über manche Widrigkeit hinwegsehen.
Keine Musik für Superhelden?
Beim Soundtrack fällt recht schnell eines auf - nämlich das es keinen gibt. Zumindest denkt man das! Denn wenn man nicht ganz genau zuhört, bemerkt man ihn nicht! In den hitzigen Gefechten fällt das nicht so sehr auf, da hier die Gefechtsgeräusche Überhand nehmen. Wenn man sich der Musikuntermalung aber mal intensiv hingibt, entfaltet sich auch ihre Schönheit. Eine etwas stärkere Untermalung wäre trotzdem wünschenswert gewesen. Dafür kann inFAMOUS bei der Lokalisierung voll punkten. Alle Sprecher machen einen guten Job und Fans der Sly Racoon-Spiele werden die eine oder andere Stimme auch wieder erkennen. Einziger Wehrmutstropfen: Besitzer einer UK- oder US-Fassung werden auf die gute deutsche Synchronisation verzichten müssen. Deutsche Besitzer müssen sich dafür wieder einen Patch herunterladen, um auf die englische Sprache zugreifen zu können. Etwas verwirrend, wenn man bedenkt, dass alle Sony Spiele davor in jeder Version mit allen gängigen Sprachausgaben aufwarten konnten. Zudem scheint der Patch mit seinen 8 MB mehr eine Freischaltlösung im Spiel zu sein als ein komplettes Sprachpaket.
Special-Edition
Für Fans von Special-Editions hat Sucker Punch natürlich auch eine von inFAMOUS anfertigen lassen. Diese kommt in einem schicken Pappschuber daher und bietet neben einem Kunstband noch eine exklusive Fähigkeit - die Gigaklingen. Diese können mit einem Code aus dem Playstation Store heruntergeladen und dann im Spiel benutzt werden. Spielerisch bringen sie kaum Vorteile, da sich ihre Stärke wieder durch den hohen Energieverbrauch relativiert. Zudem ist anzunehmen, dass früher oder später auch Besitzer der normalen Version gegen ein kleines Entgeld in den Genuss der Gigaklingen kommen werden.
FAZIT:
inFAMOUS ist Sucker Punchs erster Gehversuch auf der PS3 und meiner Meinung nach ist das Spiel definitiv ein Highlight. Die Idee einen Superhelden zu spielen, der auch mal böse sein kann, ist erfrischend und das Gameplay sucht seinesgleichen. Obwohl ein Dutzend Fähigkeiten zur Verfügung stehen muss man über deren Benutzung gar nicht groß nachdenken. Alles ist sehr intuitiv gestaltet und lässt über die kleineren technischen Fehler und die zu dezente musikalische Untermalung hinwegsehen. Hoffentlich sehen wir in Zukunft einen Nachfolger, der die kleinen Fehler ausmerzt.
[ Review verfasst von crack-king ]
Pluspunkte:
- Erfrischendes Setting
- Intuitive Steuerung
- Große, interaktive Stadt
Minuspunkte:
- Kleine technische Macken
- Fast keine Musikuntermalung
- Sprachenwirrwar