Persönlich bin ich bei Autorennspielen, die sich ausschließlich um eine Marke drehen, immer skeptisch eingestellt. Das mag vielleicht zum einen daran liegen, dass ein Hersteller nur in den seltensten Fällen über eine abwechslungsreiche Modellpalette verfügt und zum anderen, dass die Vorteile, die durch die Konzentration auf nur eine Automarke entstehen, nur in den seltensten Fällen genutzt werden. Logisch, nicht jeder Entwickler kann sich Lizenzen für mehr als fünfhundert Fahrzeuge leisten, dennoch ist eine abwechslungsreiche Modellauswahl für mich bei einem Rennspiel ein großer Pluspunkt. Umso überraschter war ich, als sich die Italiener Milestone nach dem sehr guten Racing Evoluzioné (Xbox, Pc) mit Alfa Romeo auf nur einen einzigen Automobilhersteller konzentrierten. Erst recht wenn man bedenkt, dass Alfa vor nicht allzu langer Zeit eher durch mangelnde Verarbeitungsqualität und durchzugsschwache Motoren negativ auffiel. Aber ich will nicht vorschnell urteilen, immerhin hat sich die italienische Edelschmiede mit fantastisch entworfenen Flitzern eindrucksvoll auf dem Weltmarkt zurückgemeldet.
Milan
Nicht gerade oft treffen Testversionen mit dem dazugehörigen Handbuch ein und meistens ist das Begleitheftchen auch noch so uninteressant, dass man keine Worte darüber verlieren möchte. Doch bei SCAR sieht das anders aus. Hier hat man sich offensichtlich Mühe gegeben und bietet neben Informationen zur Bedienung und zum Spielgeschehen auch noch detaillierte Einblicke in die Geschichte der Automarke und zu den Fahrzeugen, die im Spiel vertretenen sind. Und das in Farbe und bunt! So schön das Handbuch auch aufgemacht ist – im Spiel merkt man davon nichts mehr. Die Menüs sind praktisch, die Navigation etwas träge und Infos zu Alfa Romeo sucht man vergebens. Gerade bei solch einem Spiel hätte es sich doch angeboten, ordentlich Werbematerialien draufzupacken. Ein paar Videoclips, interaktive Broschüren, dreidimensional erforschbare Automodelle – das alles wäre möglich gewesen und hätte die Präsentation entscheidend verbessert. Warum fehlt dann so was?
CaRPG
Innovationen sind zwar eher selten bei Rennspielen, jedoch nicht von vorne rein ausgeschlossen. SCAR bringt eine solche Innovation in Form von eingebundenen Rollenspielelementen mit. Zwar sind die Italiener mit einer solchen Verquickung von verschiedenen Genres nicht die ersten auf dem Heimkonsolenmarkt (Square Enix zeigte uns schon vor fünf Jahren mit Racing Lagoon auf der PSOne wie das funktioniert. Der Titel ist jedoch niemals außerhalb von Japan erschienen), aber da man so was noch nie in einem westlichen Rennspiel sah, verdienen sich die Jungs und Mädels trotzdem ein paar „Kudos“. Aber wie genau funktioniert eigentlich der ganze Rollenspielkram?
Stellt euch vor, dass eure Spielfigur mehrere Fähigkeiten besitzt. Diese Attribute können durch gewonnene Rennen aufgelevelt werden. Dazu zählen zum Beispiel Handling, Sicht oder auch Nervosität. In den Rennen machen sich diese Eigenschaften natürlich auch bemerkbar. Zum Beispiel bei der „Nervosität“ - drängeln die Gegner hinter euch, sinkt ein Punktewert und wenn er bei Null ankommt, verschwimmt die Sicht und es wird euch erschwert, das Fahrzeug ordentlich zu steuern. Fahrfehler sind dann an der Tagesordnung. Verbessert ihr allerdings dieses Attribut, steigt nicht nur der Anfangswert, sondern es verringert sich auch die Zeit, bis sich der Balken wieder aufgefüllt hat. Zusätzlich zu den Punktegewinnen bei den Rennen, dürft ihr später auch Sponsorenveranstaltungen absolvieren, bei denen ihr Ausrüstungsgegenstände gewinnen könnt. Lenkradhandschuhe oder ein neuer, windschnittiger Helm verbessern zusätzlich eure Werte. Eine weitere Innovation ist der Triger-Effekt, mit dem ihr die Zeit zurückdrehen könnt, um beispielsweise einen Crash zu verhindern. Natürlich dürft ihr diese Option nur selten einsetzen und solltet deshalb sorgsam damit umgehen. Ein Crash ist schließlich schnell fabriziert. Leider stellte sich bei meinen ausgiebigen Tests heraus, dass diese Option nur teilweise von Nutzen ist. Schwerwiegende Fahrfehler lassen sich damit auch nicht wirklich umgehen. Oftmals sind nämlich die Ausgangssituationen schon zu verworren, als das man dem folgenden Crash noch entgehen könnte.
AI – Aggressive Intelligenz
SCAR ist nichts für Anfänger, das machen schon die ersten Rennen klar. Die Computer Fahrer schenken dem Spieler keinen Meter und düsen gleich zu Beginn schon mächtig ab. Wer die Strecken nicht kennt und das Fahrzeug nicht beherrscht, fährt hinterher. An sich gibt es zwar gegen Herausforderungen nichts einzuwenden, wenn man aber dank fehlender Qualifikationen immer nur von der letzten Position startet, kann das schon frustrieren. Dazu kommt noch der Fakt, dass sich gerade für den Spieler in den Anfangsmetern immer mehr als genug Chancen eröffnen, jemanden ins Heck zu rasen. Zur Ehrenrettung sei jedoch gesagt, dass die KI Fahrer auch Fehler machen und vom Spieler bedrängt werden können. Das sieht zum einen realistisch aus und nimmt einen Teil des Frustes (besonders in späteren Rennen).
Umfangsarm
Einer der größten Minuspunkte ist die Umfangsarmut des Titels. Gerade einmal 25 verschiedene Alfa Romeos stehen zur virtuellen Probefahrt bereit (ein Großteil muss natürlich erst erspielt werden). Somit fehlen allerhand Modelle. Warum zusätzlich nicht einmal die aktuellsten Alfas, wie der 159, enthalten sind, wirft noch mehr Fragen auf. Auch bei den Kursen sieht es nicht viel besser aus. Da wird ein Mix aus realen Rennstrecken und Fantasiekursen aus dem italienischen Umland geboten. Die Strecken können zwar auch rückwärts befahren werden, im Gegenzug nimmt man jedoch Recycling in Kauf, bei dem man nur mit leicht veränderter Führung in dem gleichen Gebiet eine größere Distanz zurücklegt.
Italienische Schönheit
Im Technikdepartment waren die Entwickler clever, denn anstatt auf eine mühsam in Eigenregie programmierte Engine zu setzen, nutzten die Italiener die bekannte Renderware Plattform (Burnout 3) als Grundlage für SCAR. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn man nicht die Klasse des Vorzeige Arcade Racers erreicht. Die Alfa Romeo Modelle können mit feinen Details und realistischen Proportionen überzeugen, die Strecken wirken dagegen malerisch und bieten gerade in den Stadtkursen feine Texturen. Das die ganze Optik trotzdem mit butterweichen 50fps über den Bildschirm scrollt, ist heutzutage schon lange nicht mehr selbstverständlich. Doch die ruckelfreie Framerate hat ihren Preis, werden die Augen doch mit einem leichten Flimmern (auf Gran Turismo 4 Niveau) malträtiert. Weniger berauschend geht es dabei im Sounddepartement zu. Zwar können die Motorengeräusche, genauso wie der Rest an Effekten überzeugen, jedoch fehlt bei allen Rennen und Wiederholungen Musik. Einzig im Menü kam ich in den Genuss der lizenzierten Stücke des Enrico Morricone Remix Soundtracks. Ob das nur ein Bug in meiner Version ist, sei mal dahingestellt. So oder so, hat die Qualitätssicherung versagt, was den Titel natürlich Punkte kostet.
FAZIT:
SCAR ist ein gutes Rennspiel. Ein „gut“ entspricht nach den Schulregeln einer „Zwei“. Hinter dieser brauchen sich die Entwickler auch nicht zu verstecken, macht doch SCAR fast alles richtig. Aber eben nur fast, Details wie der zu hohe Schwierigkeitsgrad bzw. die steile Lernkurve, die Beschränkung auf eine Automarke, der etwas geringe Umfang (verglichen mit anderen aktuellen Rennspielen) und die fehlende Hintergrundmusik, verhindern das SCAR in der ersten Liga mitfährt. Trotzdem bietet der Titel einige interessante und gut umgesetzte innovative Ideen, wie zum Beispiel den Rollenspielfaktor. Das sorgt für frischen Wind im Genre und gleicht zumindest einige Patzer wieder aus. Wer also ein vernarrter Alfa Fan ist, sich selbst als Profi sieht, oder etwas Abwechslung von der herkömmlichen Rennspielkost genießen möchte, sollte definitiv einen Blick riskieren.
[ Review verfasst von .ram ]
Pluspunkte:
Minuspunkte: