Ein bisschen Pech haben die Entwickler aus Großbritannien ja schon. Ursprünglich Teil des ehemals größten britischen Independant Entwickler Rage, standen die Jungs und Mädels mit dem Titel „Lamborghini“ kurz vor der Fertigstellung. Doch im letzten Augenblick musste der Entwickler Insolvenz anmelden und das Team zerbrach. EA kaufte zwar die Rechte an dem Spiel, stampfte es zur Überraschung Vieler aber ein. Die ehemaligen Entwickler bliesen jedoch nicht lange Trübsal und schlossen sich zu Juice Games zusammen. Unter neuem Namen begannen sie die Arbeit an dem Tuning Racer Juiced. Nach den ersten Demovorführungen hatte sich schnell ein Publisher mit Acclaim gefunden. Aber wie das Schicksal so wollte, sollte auch diese riesige Firma das Zeitliche segnen. Und wiederum war der Zeitpunkt unpassender denn je! Juiced stand kurz vor der Auslieferung, Testversionen waren schon an diverse Medien verschickt worden und bei einigen Zeitschriften konnte man bereits Rezensionen nachlesen. Doch zu einer Auslieferung sollte es damals nicht kommen. Aber bevor auch dieses Spiel in den Tiefen der Versenkung verschwinden konnte, wurde dank einer Finanzierungsgesellschaft an dem Projekt weitergearbeitet und wenige Monate später fand sich mit THQ sogar ein neuer Publisher. Der pumpte wiederum noch einmal ordentlich Geld in das Projekt und verschob das Spiel um Wochen nach hinten. Bis es eines Tages im Juni endlich ausgeliefert wurde. Ob sich die zusätzliche Entwicklungszeit gelohnt hat, oder ob Juiced der Konkurrenz hinterherfährt, erfahrt ihr in unserer neuesten Rezension.
Street Racer
Wie so viele andere Spiele in diesem Genre, will auch Juiced das „Fast and the Furios“ Feeling einfangen. Schließlich machte dieser Streifen den ganzen Zirkus erst berühmt. Wie im Film startet ihr als „Loser“ ohne Geld im Portmonee in der fiktiven Stadt Angel City. Um ganz groß in der Szene zu werden, liegt noch ein steiniger, harter Weg vor euch. Bevor ihr euch jedoch den Kopf darüber zerbrecht, geht es vorerst zum Autohändler und die erstbeste Schüssel wird gekauft – ein alter, gebrauchter Honda CRX. Übrigens, habt ihr euch schon mal die Frage gestellt, warum man anfangs immer nur so wenig Kohle in der Tasche hat, um sich bestenfalls so eine Möhre zu leisten? Warum geht der virtuelle Protagonist nicht noch zwei Jahre arbeiten und kann sich gleich einen heißen Eclipse oder Impreza kaufen? Na, auch egal, für Tuning bleibt sowieso kein müder Cent mehr übrig. Deswegen sind die ersten lokalen Rennen auch etwas langweilig, da noch kein echter Geschwindigkeitsrausch aufkommen will. Also tuckert ihr wieder und wieder über die gleichen Strecken, bis ihr entweder genug Geld erfahren oder erwettet habt. Denn, und das gibt es bei anderen Spielen nicht, ihr könnt mit Gegnern die gleichstarke Gefährte benutzen, Geldwetten abschließen. Dabei lässt das Spiel euch sogar noch Raum in Bezug auf die Höhe der Wette. Aber, einmal gewettet und ihr müsst den Kontrahenten schlagen, um euer Geld zu kassieren. Doch Vorsicht ist geboten, ihr könnt dadurch auch einen ordentlichen Batzen Kohle verlieren. Denn gerade in späteren Herausforderungen passiert es häufig, dass ein Gegner euch trotz niedrigerer Motorisierung einfach im Staub stehen lässt. Überhaupt ist die Gummiband KI ein Armutszeugnis für die Entwickler. Richtige Vorsprünge lassen sich nämlich nie herausfahren, da die Kontrahenten immer wieder aufholen und das ganz schön frustrierend sein kann.
Habt ihr ein paar Rennen gewonnen und etwas Geld in der Tasche, könnt ihr euer Auto aufrüsten. Leider sind die Möglichkeiten zumindest in optischer Hinsicht stark begrenzt. Maximal drei verschiedene Spoiler, Schweller und Stoßstangen stehen zur Verfügung und selbst die schalten sich bei jedem Auto erst nach und nach frei. Für ein Tuningrennspiel ist das schon etwas erbärmlich, da selbst Need for Speed: Underground 1 ein weitaus besseres und reichhaltigeres Angebot besitzt. Wenigstens sieht es bei der Technik nicht ganz so düster aus. Dort habt ihr die Wahl - entweder ihr kauft euch neue Einzelteile, oder ihr rüstet eure Kiste gleich per Tuning Kit auf. Wenn ihr Glück (und genügend Geld habt) schafft ihr es vielleicht sogar eine PS-Klasse aufzusteigen und könnt an neuen Rennen teilnehmen. Irgendwann wird es jedoch unumgänglich, sich ein neues Automobil zu besorgen, schließlich wollt ihr ja gegen die ganz Großen antreten. Und eben diese formieren sich in verschiedenen Gangs. Aber bevor sie euch zu exklusiven Rennen einladen, müsst ihr euch Respekt verschaffen. Den bekommt ihr, wenn ihr Wetten und Rennen gewinnt. Schrammt ihr (oder auch wenn ein Gegner euch rammt) gegen die Autos und Banden, gibt es Punkteabzug. Um sich also langfristig Respekt zu verdienen, ist eine kontinuierliche Leistung und Verbesserung unabdingbar. Deswegen gibt es auch kein Ende im Spiel, ihr könnt es praktisch unendlich weiterspielen und euch jeden virtuellen Tag mit einer Veranstaltung herumschlagen. Von denen gibt es nicht nur Standartrennen, sondern auch noch Exterminationsvarianten, Zeitrennen, Pink Slip Rennen (hier geht es um euer Auto) und natürlich die beliebten Drag-Veranstaltungen. Bei Letzterem fahrt ihr, im Gegensatz zur Need for Speed Variante, das Auto komplett selbst. Das sorgt zwar für Realismus auf der einen Seite, macht die Events aber auf der anderen Seite auch schwieriger und für meinen Geschmack frustrierender. Wenn man schon lenken und selber schalten muss, hätten die Entwickler sich ja eine Automatik für das restliche Spiel gleich sparen können. Richtig übel sind jedoch die Drift- oder besser gesagt die Prollabschnitte. Innerhalb einer vorgegebenen Zeit müsst ihr mit eurem Auto eine bestimmte Punktzahl durch Dreher, Bremsmanöver usw. erzielen. Diese Levels fand ich quasi unspielbar und mir gelangen nie sonderlich bemerkenswerte Punktewerte. Da ziehe ich mir die Driftrennen in NFS tausendmal vor.
Team Deathbird
Habt ihr es irgendwann einmal etwas weiter geschafft und besitzt einen besseren fahrbaren Untersatz (Die Auswahl an Wagen ist ziemlich 08/15 – es gibt Import Tuner, Euro Kleinwagen, Muscle Cars und Sportwagen. Das einzige Unikum ist ein Ford Focus Stufenheck.), bekommt ihr per SMS Mitteilungen von Fahrern, die bei euch einsteigen möchten. Anhand von wenigen Statistiken könnt ihr abwiegen, ob ihr dem Fahrer/in eine Chance geben wollt. Falls er/sie euch zusagt, weißt ihr ihm/ihr einen Wagen zu und könnt sie zu ersten Veranstaltungen schicken. Wie in Gran Turismo 4 dürft ihr „B-Spec like“ Anweisungen während der Events geben. Mehr als: schneller oder langsamer Fahren ist aber nicht drin. Unverständlicherweise kann man diese Rennen nicht abbrechen oder vorspulen, ihr müsst quasi die ganze Zeit zuschauen. Und das bereitet wenig Spaß, da wie bei der Gegner KI, auch die Künstliche Intelligenz der eigenen Fahrer mehr als durchwachsen ist. Oftmals rasen sie in die Büsche, drehen sich und fahren allgemein schlechter als ihr. Damit wird der Teammodus eigentlich zur Farce, denn bis auf vereinzelte Rennen, wo man nur im Team antreten darf, kann man diesen Spielaspekt getrost knicken.
Unausgereift
Obwohl Juiced mit vielen frischen Ideen aufwarten kann, wirken wiederum viele Sachen unausgereift und unfertig. Zum Beispiel das Fahrmodell der Autos: Die Entwickler wollten ein simulationslastiges und dadurch realistischeres Handling erschaffen, schossen jedoch über ihr Ziel hinaus. Während sich nämlich die kleinen Schüsseln anfangs noch ziemlich gut um die Kurven bewegen lassen, sind die PS Boliden, die ihr später erwerben könnt, teilweise unsteuerbar. Fahrt mal eine Viper oder eines der Muscle Cars, damit sind Dreher und Bandenkratzer an der Tagesordnung! Man könnte sogar behaupten, dass das Fahrmodell äquivalent schlechter wird, umso höher der Schwierigkeitsgrad steigt bzw. umso länger man spielt. Das nächste Beispiel ist das Schadensmodell, das eigentlich nur rein optischer Natur ist, aber den Spieler in vielerlei Hinsicht absolut benachteiligt. Hier ein Beispiel: Da schleift man einmal in einem Rennen eine Bande und darf gleich 3560 USD blechen, dagegen rammt mich in einem anderen Rennen ein KI Fahrer und ich nehme mehrmals Absperrungen mit (Schaden ist also am Auto sichtbar) und zahle nur 2100 USD. Wo bitteschön ist das realistisch? Aber das war längst noch nicht alles, so wirkt zudem die Menüführung genauso wenig durchdacht, wie das Sortierungssystem der Fahrzeuge, das unter anderem nach Autobezeichnungen auflistet und nicht nach Typenbezeichnungen.
Grafisch schwankend
Nicht nur das Gameplay hat seine Höhen und Tiefen, sondern auch die Technik. Zu allererst fällt die nicht wirklich smoothe Framerate auf. Richtig krasse Ruckler oder Slowdowns sind zwar nicht vertreten, aber wirklich flüssig läuft das ganze Geschehen auch nicht ab. Dazu gesellt sich der übertriebene Verwischeffekt, der in Verbindung mit den vielen matschigen Texturen für ein minimales Flimmern an einigen Stellen sorgt. Das Streckendesign im Gesamten kann auch nicht vollständig überzeugen. Es gibt in Angel City Abschnitte, die sehen richtig atmosphärisch aus und dann wiederum gibt es Bezirke, die einfach nur hässlich wirken. Größte Auffälligkeit sind jedoch die steifen 2D Zuschauer, die total deplaziert wirken. Trotzdem hat Juiced auch seine guten Seiten. So hat man trotz aller Widrigkeiten das Gefühl in einer Westküsten Stadt der USA herum zu heizen, die breiten Straßen mit den feinen Bodenwellen wissen zu gefallen und besonders lobenswert ist die Einbindung der verschiedenen Tageszeiten und Witterungsverhältnisse. Es existieren nächtliche Herausforderungen genauso wie Veranstaltungen in sonnigem Tageslicht. Man fährt bei Regen und bei Nebel, oder genießt bei einem schönen Sonnenaufgang die Streckenanimationen (Hubschrauber, Flugzeuge usw.). In dieser Hinsicht baut Juiced eine tolle Atmosphäre auf, von der sich andere Entwickler eine Scheibe abschneiden können. Gut gelungen sind auch die Automodelle, die mit hübschen Lackspiegelungen überzeugen können. Einzig die Auspuffrohre stechen etwas zu stark ins Auge.
Top Soundtrack
Bei der Musik kann Juiced dagegen richtig punkten. Die Auswahl ist schlichtweg genial. Von Rock über Rap bis hin zu verschiedenen elektronischen Musikrichtungen wird alles geboten. Und das Beste daran ist, dass fast kein Mainstreamzeug dabei zu finden ist. Natürlich ist das kein Qualitätskriterium für einen Soundtrack, aber macht diesen noch vorzüglicher, denn auch die Stücke können restlos überzeugen und tragen wesentlich zu der Street Tuner Stimmung bei. Das die deutsche Sprachausgabe mit dem OST nicht ganz mithalten kann, sollte niemanden verwundern. Man kann zwar bei weitem nicht von einer schlechten Synchronisation reden, aber etwas motivierter hätten die Sprecher schon zu Werke gehen können. Warum dann trotzdem so eine niedrige Soundnote? Das liegt an der miesen Tonabmischung! Weder in Dolby Pro Logic II noch in Stereo bekommt ihr eine kratz- und rauschfreie Akustik. Immer wieder kommt es vor, dass der Sound nicht klar aus den Boxen dröhnt. So etwas darf einfach nicht vorkommen und lässt auf eine billige Soundemulation schließen und das kostet Punkte!
Onlineracing
Im Grunde wäre der Onlinemodus ein ziemliches Beispiel für ähnliche Rennspiele, denn ihr habt die Möglichkeit als Team mit mehreren menschlichen Spielern anzutreten. Jedoch plagen den Multiplayermodus mehr oder minder die gleichen Mängel, die den Einzelspielermodus von einer höheren Wertung abhalten. Schwankende Technik und unausbalanciertes Gameplay reihen sich zu den wenigen Tuningmöglichkeiten ein. Somit ist auch die Onlineerfahrung alles andere als durchgängig positiv zu bewerten.
FAZIT:
Mit Juiced haben sich die Entwickler Juice Games viel vorgenommen. Zu viel in meinen Augen, denn viele noch so nette Features und Aspekte wirken einfach unfertig oder schlichtweg nicht zu Ende gedacht. Das ist insofern schade, da in Juiced einiges an Potential steckt. Dadurch ist es schwer eine Empfehlung für dieses Spiel abzugeben, ist es doch in Hinsicht der Konkurrenz klar das schlechteste. Aber vielleicht klappt es ja beim Nachfolger, denn trotz aller Mängel scheinen bereits genug Spieler zugeschlagen zu haben.
[ Review verfasst von .ram ]
Pluspunkte:
Minuspunkte: