Während sich Kriegsfilme in den letzten Jahren, trotz ihrer Thematik, einen relativ hohen Stellenwert erarbeiten konnten, sah es bei den Videospielpendants immer etwas schlechter aus. Diese wurden aufgrund ihrer stupiden Hintergrundgeschichten und der simplen Arcadesteuerung meist nur belächelt und in die Ecke „Spiele für Dumme“ geschoben. Doch mit der Veröffentlichung des ersten Medal of Honor Spiels anno `99 (PSOne), änderte sich das schlagartig! Statt wie bisher auf ein kurzes und vor allem brutales Spielvergnügen zu setzen, lag das Hauptaugenmerk des damaligen EA Krachers erstmals auf der Wiedergabe eines authentischen Kriegsszenarios. Und so begann die Laufbahn der ruhmreichen Medal of Honor Serie, die nicht nur einen Nachfolger auf der PSOne hervorbrachte, sondern auch mit Spielen auf dem PC und der PS2 auf sich aufmerksam machen konnte. Leider gab es jedoch im Jahr 2003 mit dem Pazifikszenario Medal of Honor: Rising Sun einen deftigen Einbruch in Sachen Spielbarkeit und Innovation, was man mit dem neusten Ableger der Serie wieder wettmachen möchte. Ob es den Jungs und Mädels von EA wirklich gelungen ist, wieder zu den alten Stärken der Serie zurückzufinden, erfahrt ihr in unserer neuesten Rezension.
Bombastischer Anfang
Nachdem ihr euch im Startmenü ein eigenes Profil angelegt habt, geht es auch schon ans Eingemachte. Unter dem Punkt Einzelspieler startet ihr den Storymodus, der euch Medal Of Honor typisch sofort in ein bombastisches Kriegsszenario hineinführt. Während man allerdings bei Medal of Honor: Frontline am Tag des D-Day in der Normandie startete und bei Medal of Honor: Rising Sun in die Haut eines in Pearl Harbour stationierten Soldaten schlüpfte, geht es historisch gesehen bei „European Assault“ weniger brisant zur Sache, was aber nicht heißen soll, dass das spielbare Intro nicht spektakulär wäre. In der Rolle eines amerikanischen Reservisten seid ihr zur Unterstützung der amerikanischen Truppen nach Frankreich geschickt worden. Dort angekommen werdet ihr sofort mit der brutalen Seite des Krieges konfrontiert. Während links und rechts von euch immer mehr Kameraden von den umher fliegenden Kugeln getroffen werden, besteht eure erste Aufgabe darin, augenblicklich das Landungsschiff zu verlassen und die bereits am Land kämpfenden Soldaten zu unterstützen. Das ganze Unterfangen kann dabei unterschiedlich schwer sein, je nachdem welchen Schwierigkeitsgrad ihr wählt. Aber keine Bange, insgesamt ist der Spielablauf fair gehalten, so dass Anfänger, wie auch Profis gut unterhalten werden.
Igitt! Ein Konsolen Ego-Shooter!
Entgegen aller Hetze und Vorwürfe kann ich mit ruhigem Gewissen behaupten, dass auch Medal of Honor, trotz seiner Konsolenherkunft, optimal spielbar ist und dem Spieler stets das Gefühl vermittelt, das Geschehen unter Kontrolle zu haben. Schließlich wurden alle Funktionen optimal an das PS2 Joypad angepasst. Dadurch habt ihr jederzeit alles im Griff - während ihr mit den Analogsticks die einzelnen Bewegungen eures Charakters koordiniert, feuert ihr mit R1 die Waffe ab und wechselt selbige mit Kreis immer wieder aus. Je nach Mission stehen euch dabei die unterschiedlichsten Waffentypen zur Verfügung. So findet ihr beispielsweise in großräumigen Gebieten ein Scharfschützengewehr, während ihr in engen und schwierigen Passagen lieber mit einer Maschinenpistole zur Sache gehen solltet. Und für die ganz brenzligen Situationen gibt es dann immer noch die beliebten Granaten, mit denen ihr auch mehrere Gegner zur Strecke bringen könnt.
Band of Brothers?
Eine der zahlreichen Neuerungen im Kampfgeschehen stellen die zwei euch begleitenden, vom Computer gesteuerten, Soldaten dar. Dabei hat man sich ganz klar am Ubi Soft Kriegsspektakel „Brothers in Arms“ orientiert. Im Gegensatz zum Genrekollegen spielt der strategische Aspekt jedoch eine deutlich unwichtigere Rolle. So ist es zwar ganz nett, wenn ihr die beiden Kollegen mit der L2 Taste rumkommandiert und sie euch ein wenig Luft verschaffen, doch ist das Ableben euer Kameraden kein Beinbruch, in bester Rambo-Manier kommt man immer vorwärts und „virtuelle“ Tränen werden auch keine vergossen. Ein weiteres neues Feature, dass den Weg ins Spiel gefunden hat, ist der so genannte Adrenalinmodus, der euren Charakter für einige Sekunden in einen speziellen Zustand versetzt, bei dem ihr nicht nur unverwundbar seit, sondern auch über unendlich Munition verfügt (sehr realistisch!). Darüber hinaus verfügt „European Assault“ endlich über ein neues Continuesystem, das euch erlaubt mitten im Spiel wieder „aufzuwachen“ und in das Geschehen zurückzukehren (noch realistischer!!!). Wie oft ihr euch das erlauben könnt, hängt dabei von der Anzahl der Belebungspunkte ab, die ihr im Laufe des Spiels immer wieder einsammelt. Oftmals findet ihr sie bei den auf Nemesis getauften Supersoldaten der deutschen Wehrmacht (Oh, ja – was kommt als nächstes? Hitler in Roboterrüstung mit Raketenwerfern?). Im Vergleich zu den normalen Truppen vertragen die Nemesis Schurken deutlich mehr und somit als eine Art Zwischenboss zu verstehen. Weiterhin besteht nun auch die Möglichkeit, dass ihr mitten im Kampfgeschehen neue Missionsziele bekommt, die ihr zwar erfüllen könnt, aber nicht unbedingt müsst. Das erhöht zumindest anfangs den Wiederspielwert. Zum größten Teil handelt es sich somit um sinnvolle Neuerungen, die den Titel auf jeden Fall weiterbringen und das Spielgeschehen wieder ein Stück atmosphärischer machen.
Atmosphäre Pur!
Wurde schon bei Medal of Honor: Frontline der Begriff „Atmosphäre“ äußerst gut umgesetzt, so kann auch „European Assault“ im Großen und Ganzen überzeugen. Klar gibt es auch ein paar unrealistische Eigenheiten, wie die Nemesis-Truppen, aber ansonsten zischt und donnert euch permanent der Kriegslärm um die Ohren. Ihr fühlt euch praktisch mitten in das Spielgeschehen hineinversetzt. Dafür sorgen unter anderem auch die Vielzahl an Gegnern, die überall versteckt sind und nur darauf warten, euch ins Jenseits zu befördern. Und das kann auf den weitläufigen Gebieten durchaus öfters mal passieren. Ohne durch lästige Nachladezeiten gestört zu werden, lauft ihr durch imposante Landstriche, die euch mehr als nur einmal ins Staunen versetzen werden. Ein Szenario, dass mir beispielsweise immer noch durch den Kopf geht, ist der deutsche Überraschungsangriff auf ein belgisches Dorf, bei dem ihr urplötzlich von duzenden Soldaten und Panzern regelrecht überrannt werdet und zusehen müsst, wie Gebäude um euch herum zerstört werden und eure Kollegen im Kugel bzw. Bombenhagel sterben. Abgerundet wird das Geschehen durch den phänomenalen Soundtrack, der ohne zu übertreiben, mit jedem guten Hollywood Score mithalten kann und eine fast schon epische Atmosphäre erschafft. Nach so viel Positiven, wende ich mich aber mal den ausreichend vorhandenen technischen Schwächen des Titels zu. Ärgernis Numero Uno ist die unstabile Framerate die viel zu häufig in die Knie geht und das Spielerlebnis durch derbe Ruckler und Slowdowns versalzt. Kritikpunkt Nummer Zwei ist die wechselhafte Qualität der Grafik. Diese schwankt nämlich zwischen Welt- und Kreisklasse (aus der Fußballsprache übersetzt: Die Grafik schwank zwischen Geil und Pfui Deibel). Während die Umgebungsgrafik mit vielen Details überzeugen kann und vor allem mit den riesigen Levels punktet, sorgen die teilweise schon extrem niedrig aufgelösten Texturen für einige Deja-Vu`s aus der guten alten PSone Zeit. Zudem fiel mir auf, dass der Polycount für die verschiedenen Soldaten nicht gerade der höchste ist, manchmal könnte man sogar annehmen, dass die Deutschen mit klobigen Klotzen anstatt Händen geboren wurden.
Multiplayer?!
Obwohl „European Assault“ über viele verschiedene Mehrspielermodi verfügt (zum Beispiel: Deathmatch und Capture The Flag), darf man nicht online gegen andere Mitspieler antreten. Das sorgt für kräftigen Abzug, schließlich gehört solch eine Onlineunterstützung heutzutage zum A und O eines jeden Ego-Shooters. Umso verwunderlicher wird es dann noch, wenn man bedenkt, dass selbst der Vorgänger online kompatibel (auch wenn nur vier Spieler unterstützt wurden) war. Was EA nun dazu geritten hat auf einen Onlinemodus vollständig zu verzichten, bleibt wohl auf ewig ein Geheimnis der Entwickler...
FAZIT:
Nach dem unterdurchschnittlichen Medal of Honor: Rising Sun hat es Electronic Arts wieder geschafft einen grundsoliden Ego-Shooter auf dem Markt zu bringen. Die grandiose Atmosphäre und die gute Spielbarkeit machen aus dem neusten Medal Of Honor einen Pflichttitel für Fans der Serie. Alle anderen werden wohl dank der immer größer werdenden Konkurrenz auch nicht in das EA-Lager konvertieren. Dafür sorgen die vielen Patzer und Versäumnisse, wie der fehlende Onlinemodus, die mäßige Technik und die geringe Gesamtspielzeit von gerade mal 6 bis 7 Stunden. Fehler, die heutzutage nicht mehr auftreten dürfen.
[ Review verfasst von Dimi ]
Pluspunkte:
-
Tolle Atmosphäre
-
Neue Features
-
Solides Gameplay
Minuspunkte: