Alone in the Dark - The new Nightmare könnte euch durchaus noch ein Begriff sein, egal ob nun vom PC, der PSOne, der Dreamcast oder der PlayStation 2. Die gleichen Macher schicken nun, einige Jahre später, mit Cold Fear ihr nächstes Spiel ins Rennen. Auf einen flüchtigen Blick sind beide Spiele eng miteinander verwandt und bei der recht guten Qualität von Alone in the Dark keimt da natürlich die Hoffnung auf, dass sich die Mannen bei Darkworks noch ein bisschen gesteigert haben und mit Cold Fear einen neuen Genre-Primus abliefern könnten. Schließlich hat die Fachpresse schon im Vorfeld begonnen, Lobeshymnen auf dieses Spiel zu singen. Zu früh?
Väterchen Rußland
Die US Coast Guard (Küstenwache) greift in einer stürmischen Nacht in der Beringsee einen steuerlosen Walfänger auf, der unter russischer Flagge die Meere kreuzt. Auf sämtlichen Funkkanälen werden die Anfragen nicht beantwortet, so dass kurzerhand eine Einheit auf dem Schiff abgesetzt wird, mit dem Ziel, die Vorgänge zu untersuchen. Schon nach wenigen Minuten besteht diese Einheit nur noch aus Tom Hansen. Aufgrund des schlechten Wetters ist es zudem aussichtslos, ihn wieder abzuholen. Somit muss er in den sauren Apfel beißen und das Schiff auf eigene Faust untersuchen und herausfinden, wer oder was seine Kameraden innerhalb weniger Sekunden getötet hat. Bei seiner Suche stößt er nicht nur auf verschlossene Türen und freiwillige Helfer, sondern auch auf jede Menge Leichen und eine Vielzahl von Gegnern, die wild auf alles noch lebende schießen.
Standardkost?
Die Hintergrundgeschichte klingt schon mal ziemlich nach gewohnter Standardkost. Und um ehrlich zu sein, mehr wird auch beim Gameplay nicht geboten. Die Story enthält alle Elemente eines klassischen Survival-Horror-Spiels, inklusive Monstern, sterbenden Wissenschaftlern, geheimen Labors, ominösen Organismen und jeder Menge Kanonenfutter. In dieser Hinsicht hebt sich Cold Fear überhaupt nicht von der Konkurrenz ab. Die besonderen Eigenschaften zeigen sich erst im Detail. Aufgrund des starken Seegangs schwankt der Walfänger auf den Wellen hin und her, schlagen Brecher über das Deck und reißen alles mit, was nicht festgezurrt ist - inklusive unseres Helden. So hat man des Öfteren damit zu kämpfen, dass Hansen nicht von Bord geht. Auch das Zielen gestaltet sich dadurch etwas komplizierter als auf fester Erde. Der Laserpointer der Pistole schwankt nämlich noch stärker, als ein Betrunkener auf seinem Heimweg. Erst wenn man sich an der Reling festhält, kann man die Waffe ruhig halten und Gegner präzise anvisieren. Doch das sind bei weitem noch nicht alle Möglichkeiten, um sich seinen Gegnern zu entledigen. Brecher, an Tauen herum schwingende Haken und Gegenstände wie Benzinfässer eignen sich bestens, unliebsame Widersacher über Bord zu befördern. Theoretisch zumindest, denn in der Praxis bewähren sich eigentlich nur die explosiven Gegenstände wie Feuerlöscher, Fässer und Gasventile. Alles andere trifft Hansen mindestens genauso häufig, wie seine mordlüsternen Zielobjekte. Ein paar halbwegs gezielte Schüsse, um den Gegner zu Fall zu bringen und ihm anschließend einen Kopfschuss zu verpassen, sind eindeutig die bessere Wahl. Denn die Feinde warten natürlich nicht auf euch, sondern sind genauso flink zu Fuß wie ihr, nur mit dem Unterschied, dass euch irgendwann die Puste ausgeht. Da wären wir schon bei der nächsten Neuerung angelangt. Hansen steht nämlich ein so genannter Resistenz-Balken zur Verfügung, der sich nach kurzer Zeit ohne körperliche Anstrengung wieder auflädt. Rennt ihr oder werdet von Brechern getroffen, verringert sich dieser Balken. Gegner, die euch im Würgegriff halten, beanspruchen zudem zuerst den Resistenz-Balken, bevor ihr Lebensenergie verliert. Darauf aufbauend, stellt dieser Umstand für manche Feinde eine ideale Kampfmethode da. Näheres dazu aber später.
Da es sich um einen russischen Walfänger handelt, ist selbstverständlich alles in russischer Sprache beschriftet. Hansen versucht sich als Übersetzer, sobald man mit dem Laserpointer auf die entsprechende Beschilderung zielt. Gut gelungen ist auch das grundlegende Zielsystem, dass an moderne Genrevertreter angelehnt ist. Per Laserpointer nimmt Hansen die zahlreichen Gegner aufs Korn. Sobald ihr die L1 Taste drückt, schwenkt die Kamera über Hansens Schulter und ihr könnt die Feinde mit dem Analogstick anvisieren. Je nach Trefferzone lässt sich der Gegner schneller oder langsamer ausschalten. Getötete Gegner oder herumliegende Leichen können anschließend nach Munition oder Verbandspäckchen durchsucht werden.
Nicht alles ist Gold, was glänzt
Die positiven Aspekte in allen Ehren, doch wo Licht ist, da gibt es auch Schatten. Wo gelebt wird, wird auch gestorben. Cold Fear bildet da keine Ausnahme. Erster Kritikpunkt ist die Story, die man so oder so ähnlich schon locker ein halbes Dutzend Mal in anderen Spielen erlebt hat. Durch den dünnen und vorhersehbaren Handlungsfaden kommt wenig echte Spannung auf. Einzig die Spielumgebung und die superbe Grafik erzeugen ein klaustrophobisches Gefühl. Selbst die Dokumente, auf die man im Spielverlauf stößt, sind fesselnder, als die Rendersequenzen mit ihren platten Dialogen. Wären nicht die langatmigen Zwischensequenzen, würde man Cold Fear in weniger als 5 Stunden beenden können. Was ist daran so schwer, eine brauchbare und interessante Geschichte zu schreiben? Andere Entwickler schaffen das doch auch...
Gegen die Story fallen die Mängel in der Spielmechanik vergleichsweise wenig gravierend ins Spielgewicht. Ein großer Minuspunkt ist sicherlich der kleine Walfänger, den man im laufe des Abenteuers immer wieder durchwandern muss. Sei es um Rätsel zu lösen, oder bestimmte Personen zu finden, man wird kreuz und quer durch den Kahn geschickt. Ätzend wird es, wenn man sich bei jedem Gang durch das Schiff einen neuen Rückweg suchen muss, da der Vorherige auf einmal durch klemmende oder verriegelte Türen blockiert ist. Ohne Übersichtskarte weiß man kaum, welche Räume sich wo befinden bzw. was für Türen sich überhaupt öffnen lassen. Da hilft es auch nicht viel, dass beinahe jeder Raum namentlich bezeichnet wird und man auch in seinen Missionszielen den nächsten Zielort genannt bekommt.
Das Kampsystem ist auch nicht ganz von Kritik befreit und bei weitem noch nicht ausgereift. Mitunter dachte ich, dass einige der „Schwächen" sogar beabsichtigt seien, damit das Spiel nicht zu leicht wird. Mängel Nummer 1 ist das träge Herumschwenken der Waffe. Schnelle Gegner haben dadurch die Chance, Hansen beim Zielvorgang stören. Noch „besser" wird es, sobald man sich an der Reling festhält. Dann zielt Hansen erst einmal auf das offene Meer und jegliche Drehung zum Feind dauert meistens zu lange und man steckt einen ersten Treffer ein. Zudem lässt sich die Umgebung nur schwerlich gezielt in einem Kampf einsetzen. Das liegt vor allem daran, dass die Gegner zu flink unterwegs sind. Selbst der abschließende Kopfschuss, um am Boden liegende Gegner endgültig zu erledigen, wird einem durch solche Schnitzer erschwert, denn man hat nur wenige Sekunden Zeit, bis sich das Monster wieder aufrappelt und angreift. Das alternative Zertreten des Schädels klappt zudem fast nie bzw. ist anscheinend auch nicht bei allen Feinarten möglich. Realistisch, aber wenig hilfreich in einem Spiel, ist die Tatsache, dass man in engen Gängen die Waffe aufgrund der Platzverhältnisse nicht in Anschlag nehmen kann. Zielen, das Lesen von Türbeschriftungen und das Zerstören von Schaltkästen werden dadurch an einigen Stellenungemein erschwert. Zum Abschluss werfen wir noch einen Blick auf ein anscheinend gewolltes Gameplay-Element. Manche unsichtbare Gegner sind mit purer Waffengewalt nur schwerlich zu erlegen. Selbst wenn diese durch das Feuer des Flammenwerfers laufen, sind sie einfach nicht zu sehen. In dieser Situation muss man, auf den weiter oben schon angesprochenen, Würgegriff zurückgreifen. Durch ein wiederholtes Drücken der Kreistaste müsst ihr versuchen einen dazugehörigen Balken zu füllen, bevor der Feind euren Resistenzbalken geleert hat. Ist der Würgegriffbalken voll, wird die R1 Taste eingeblendet und je nachdem wie gut euer Timing ist, vollführt Hansen einen kritischen Treffer, der dem Gegner meist den Kopf von den Schultern reißt.
Audio-visuelle Oberklasse
Von der technischen Seite her, gibt es nicht viel Negatives zu berichten. Die Grafik sieht erstklassig aus und überzeugt mit vorzüglichen Effekten. Das Feuer sieht realistisch aus und Blut und Regen hinterlassen sogar Spritzer auf dem Bildschirm. Wirklich gut gelungen ist zudem der Echtzeitschatten von Hansen. Bis auf einige Stellen mit wechselnden Lichtquellen wird dieser immer korrekt dargestellt, selbst in den Ecken. Schade nur, dass Framerate an einigen Stellen merklich in die Knie geht, dafür sind immerhin die Texturen durchweg auf einem sehr hohen Niveau und manche Objekte wirken so plastisch, das man glatt meinen könnte, die Entwickler hätten mit Bump-Mapping gearbeitet. Unterstützt wird die grafische Gestaltung durch eine exzellente Beleuchtung der Szenerie, die mit stimmungsvollen Hell-Dunkel Kontrasten punkten kann. Man merkt den Grafikern deutlich ihre Erfahrung an.
Musikalisch ist Cold Fear dagegen ein wenig unauffällig geraten. Der Titelsong stammt zwar von Marylin Manson und wird bei Kämpfen immer wieder instrumental eingestreut, dafür ist die restliche Musik nicht gerade abwechslungsreich und vor allem kaum hörbar. Im Vergleich zum Manson-Gekreische wurde sie einfach zu leise abgemischt. Tropfendes Wasser, Stöhnen, klackende Krallen - die Soundeffekte untermauern die Stimmung des Spieles in gekonnter Weise. Auch sprechen die russischen Seeleute, wie es sich gehört, russisch. Den entsprechenden Inhalt bekommt man übersetzt, als Untertitel angezeigt. Weniger schön ist die Auswahl der mittelmäßigen deutschen Sprecher, da hat Ubi Soft mal wieder alle billigen Klischees abgedeckt. Zu allem Überfluss sind die Stimmen auch noch zu dumpf abgemischt, so dass sie im Spiel stellenweise dermaßen in den Hintergrund gedrückt werden und kaum zu verstehen sind. Mit mehr Sorgfalt wären diese Schnitzer, zu vermeiden gewesen.
FAZIT:
Wie anfangs erwähnt, wurde Cold Fear schon vor der Veröffentlichung mit reichlich Vorschusslorbeeren überhäuft. Leider ein wenig zu Unrecht, denn seinen Anspruch auf den Genrethron kann das Spiel nicht geltend machen. Probleme mit der Spielmechanik, die zu kurze Spieldauer und die geringen Möglichkeiten, die Umgebung in die Kämpfe einzubeziehen, trüben den Spielspaß schon merklich. Da kann auch das etwas andere Setting kaum Abhilfe schaffen. Freunden von Resident Evil & Co kann ich Cold Fear trotzdem empfehlen - das Spiel ist blutig, besitzt ein immer noch brauchbares Kampfsystem und ist vor allem grafisch erstklassig. Wer mit den Schwächen der Resident Evil Serie klarkommt, der dürfte auch mit den Mängeln in Cold Fear keine grundlegenden Probleme haben - zumindest im leichtesten der vier Schwierigkeitsgrade.
[ Review verfasst von Justicer ]
Pluspunkte:
- Neuartige Spielumgebung
- Superbe Grafik
- Freischaltbare Artworks
Minuspunkte:
- Mieses Speichersystem
- Verbesserungsbedürftiges Zielsystem
- Wenig mitreißende Story