Wie schon 2018 beim "Tetris Effect" Review von mir erwähnt, lagen zwischen meiner ersten Tetris Sucht auf dem Game Boy und dem erneuten Aufflammen fast 28 Jahre. Seit dem Release von "Tetris Effect" hielt die Sucht dieses Mal jedoch an und das Feuer ist seitdem nicht mehr erloschen. Denn auch im Jahre 2024 verfalle ich regelmäßig den fallenden Klötzchen von Alexey Pajitnov! So kehre ich immer wieder in das audiovisuell umwerfende "Tetris Effect" zurück, starte "Tetris 99" auf der Nintendo Switch oder schaute mit Genuss den Film "Tetris". Das, was ich bisher aber weiterhin aufgeschoben habe, ist der Rückblick auf das Gesamtwerk Tetris. Dank der jetzigen "Tetris Forever" Veröffentlichung, kann ich die letzten 40 Jahre aber endlich aufarbeiten.
"Spielt Tetris meine Freunde" - Alexey Pajitnov
Doch zuerst ein paar Worte zum Herzstück des Release, der Dokumentation. Bis vor ein paar Jahren war mir nicht bewusst, was für eine filmreife Vergangenheit Tetris hat. So filmreif, dass es der Stoff 2023 sogar bis nach Hollywood geschafft hat. Die Geschichte rund um Tetris bietet Intrigen, Zufälle, Machtkämpfe und Geheimagenten des KGB. Ja ja, inszenatorische Ausschmückungen wird der ein oder andere sagen der den Film gesehen hat. Doch weit gefehlt, wie ich am Ende der exzellenten Aufarbeitung der Geschichte zu Tetris feststellen musste. Klar, dass ein oder andere wurde im Tetris Film etwas dramatisiert oder kompakter umgesetzt, doch im Großen und Ganzen ging es um Intrigen, Zufälle, Machtkämpfe und Geheimagenten des KGB. Digital Eclipse hat die Entstehung des Klassikers mit allerhand Zeitdokumenten (Videos, Schriften, Bildern) und Interviews u.a. mit Henk Rogers und Alexey Pajitnov angemessen rekonstruiert.
Es gibt massig informative, skurrile und lustige Anekdoten aus 40 Jahren Tetris. Wenn Henk blauäugig mit einem Touristenvisum in die Sowjetunion reist um die Tetris Lizenz an sich zu binden oder sich fast schon dreist um einen Termin mit Nintendo Oberhaupt Yamauchi bemüht, muss man oft schmunzeln. Auf der anderen Seite gibt es mit Alexey einen warmherzigen, intelligenten und etwas naiven Gegenpart. Beide brennen für Tetris, wollen stets das Beste für die Marke und spielen im Gegensatz zu anderen immer fair. Genau das macht die Beiden so sympathisch und man gönnt ihnen das Ende ihrer Reise: die volle und alleinige Macht über Tetris. Das einzige, was zu bemängeln wäre ist, das es nicht zu allen vorgestellten Tetris Spielen kleine Videoclips gibt und man im Internet nach Gameplay Szenen suchen muss. Womit wir den perfekten Übergang zum zweiten Teil der Sammlung haben...
"Tetris ist das eine Spiel, das es noch geben wird, wenn alle anderen verschwunden sind" - Henk Rogers
...ja, der über allem schwebende (Nostalgie)-Klassiker "Tetris" für den Ur-Game Boy ist aus lizenztechnischen Gründen nicht enthalten. Dies kann man in gewisser Weise noch verstehen, aber leider fehlen auch andere, teils skurrile Versionen. Vor allem die Spectrum Holobyte Variante "Wordtris" hätten mit an Bord sein können. Immerhin ist zum einen deren MS-DOS Version dabei und zum anderen ist Gilman Louie von Spectrum Holobyte ein oft gesehener Gesprächspartner der Doku. Aber auch ein "Tetris Plus" oder einen Sega Teil hätte ich gerne in der Sammlung gesehen. Aber vielleicht gibt es noch Hoffnung, da nach dem Release per Patch "Welltris" (man schaut von oben in einen Schacht und an den Wänden fallen die Tetrominos herunter) hinzugekommen ist und weitere Titel folgen sollen.
So, genug gemeckert. Zwar ist die Kritik gerechtfertigt, macht die vorliegende Kuration aber nicht per se schlecht. So stechen vor allem die Bombliss Spiele positiv heraus. Und mit denen würde ich gern beginnen, da ich unerwarteter Weise sehr viel Spaß mit Bombliss hatte. Verteilt auf die Bombliss Spiele gibt es verschiedene Spielmodi. Zum einen kann man alleine das Spielfeld mit beliebig vielen Steinen komplett bereinigen, während man bei einem anderen Modus nur eine begrenzte Anzahl an definierten Steinen zur Verfügung hat, um vorgegebene Puzzle zu lösen. Sehr knifflig. Zudem kann man noch gegen einen Freund oder die KI antreten und sich gegenseitig Steine in den Weg legen, wenn man eigene Reihen weggebombt hat. Für den Game Boy Color gibt es außerdem noch eine Version, wo auf dem eigenen Spielfeld ein Gegner rumflattert und allerlei Unheil anrichtet. So entfernt er Steine oder setzt welche, zieht den fallenden Stein abrupt nach unten oder entfernt Bomben. Einzige Spaßbremse ist jedoch der teils heftige Schwierigkeitsgrad der KI Gegner, die schneller als einen lieb ist den Game Over Screen erscheinen lässt.
Als weiterer Ableger ist die Hatris Serie enthalten, wo es darum geht gleiche Hüte übereinander zu stapeln. Die Hüte fallen paarweise in einen Schacht und ab fünf übereinander, werden die gestapelten Hüte eliminiert. Die enthaltenen NES und Game Boy Versionen kommen zwar nicht an Tetris heran, aber paar amüsante Stunden kann man mit der Serie dennoch verbringen. Dabei fand ich die Game Boy Fassung eingängiger und einfacher als die NES Version.
Jetzt aber zum eigentlichen: Tetris! Auch hier findet man über die einzelnen Spiele die verschiedensten Spielmodi. Da wäre zuerst das klassische Tetris, welcher jeder kennen sollte. Hier stapelt man Steine so, dass man mindestens eine horizontale Reihe komplettiert, welche schließlich verschwindet. Umso länger eine Runde geht, desto schneller fallen die Steine von oben nach unten in den Schacht. Der Endgegner hier ist nur die eigene Reaktionsgeschwindigkeit, da die Steine irgendwann nicht mehr fallen, sondern nur noch unten aufzuploppen scheinen. Bei einem anderen Modus ist das Ziel dagegen, eine bestimmte Anzahl an Reihen zu komplettieren, um ins nächste Level zu gelangen, wo der Schacht zum Start wieder leergefegt ist. Beim dritten Spielmodus wachsen wiederum von unten mit zunehmender Spieldauer neue Bruchstücke heran, die einem schnell den perfekten Lauf vermasseln können. Zudem gibt es noch einen Modus, wo sich bereits Bruchstücke auf dem Spielfeld befinden, die einem den Start etwas erschweren können.
Ab und an wird alles noch mit kleineren Sonderregeln gewürzt. Als wäre es nicht dahin stressig genug Reihen zu bilden, sollte man in der Magical Variante (Tetris 3) noch auf die Farbe der Tetrominos schauen, die man beliebig ändern kann. Bildet man nun Reihen in einer Farbe, winken extra Boni. Bei Battle Gaiden kommen dagegen Zaubersprüche ins Spiel, die entweder das eigene Spielfeld bereinigen, die Steuerung des Gegners invertieren oder das gegnerische Spielfeld mit Steinen zubauen. Nebenbei bedienen sich beide Spieler aus demselben Pool an Steinen, was die Vorfreude auf einen "I-Stein" schnell in Stress ausarten lässt. "Ahhhh, das war meiner du Mistkerl!" Spielt man zudem gern im Couch Coop, gibt es auch noch eine 4-Spieler Family Variante.
Abschließend noch ein paar Worte zum neu designten "Tetris Warp", welches leider sein Potential verschenkt. Dabei ist die Grundidee prinzipiell gelungen, doch nur halbherzig umgesetzt. Werden Reihen getilgt, wird man in bestimmte Epochen gezogen, wo man bestimmte Aufgaben erfüllen muss. Leider gibt es nur drei Epochen an der Zahl (Elektronika 60, "Game Boy" und Bombliss auf dem NES) und die Aufgaben sind nicht nur einfallslos, sondern auch schnell wiederholend. Ich mein, es liegen 15 Spiele der Sammlung bei und dann werden nur drei für "Tetris Warp" genutzt? Auch artet der Warp schnell in Hektik aus und bringt einen eher aus dem Konzept, vor allem, wenn es zurück ins Jetzt geht. Den Szenenwechsel machte "Tetris Effect" von Tetsuya Mizuguchi besser.
FAZIT:
"Tetris" ist und bleibt auch 40 Jahre nach seinem Erscheinen eine suchterzeugende Droge, wo man den Controller kaum aus der Hand legen kann. Auf der Habenseite hat man zudem eine ausführliche und schön aufbereitete Dokumentation über die verzwickte Entstehungsgeschichte. Leider schlampt Digital Eclipse aber bei der Kernkompetenz einer Sammlung: den Spielen. Ja, Tetris und seine Varianten machen wie gesagt auch heute noch extrem viel Spaß. Ja, Bombliss steht dem Suchtfaktor von Tetris in fast nichts nach. Ja, selbst ein Hatris fesselte mich in der Game Boy Version mehrere Stunden. Nein aber dazu, dass die Sammlung ausreicht Tetris vollumfänglich gerecht zu werden. Dafür fehlen mir einfach ein paar mehr Varianten, vor allem skurrile Erscheinungen wie z. B. "Wordtris". Immerhin hat Digital Eclipse mit "Welltris" bereits eine rare Version via Update kostenlos nachgereicht und weitere Spiele sollen folgen.
[ Review verfasst von Shagy ]
[ Gespielt auf einer PlayStation 5 mit 4K HDR TV ]
Pluspunkte:
Tetris ist und bleibt grandios
die Dokumentation ist sehr sehenswert
Bombliss macht ebenfalls süchtig
Minuspunkte:
Es fehlen skurrile Tetris Versionen
Tetris Warp verschenkt Potential
In der Dokumentation könnten mehr Gameplay Szenen weiterer Tetris Spiele vorkommen
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