Walking-Simulatoren können fesselnd und unterhaltsam sein, wenn sie denn gut gemacht sind. Bedeutet für mich: Die Erzählung muss straff und packend sein, audiovisuell muss alles stimmen und natürlich darf das Gehen (engl. walking) nicht zum Einschlafen animieren. Mit „The Invincible“ ist vor einiger Zeit ein Spiel erschienen, dass nebenbei auch noch Inspiration aus einem literarischen Sci-Fi Klassiker zieht. Wir haben uns den Titel nach dem kürzlich erschienenen Voyager-Update genauer angesehen und klären im Test, in wie weit „The Invincible“ seiner Prämisse gerecht werden kann.
Space UDSSR
Das Forschungsraumschiff Dragonfly ist auf dem Heimweg, schließlich war die letzte Mission ein voller Erfolg. Auch wenn sich der Astrogator beim Bergen eines seltsamen Metalls das Bein verletzte. Plötzlich taucht Regis III auf den Bildschirmen auf, ein unerforschter Planet, der jedoch theoretisch Leben ermöglichen sollte. Warum also gibt es keins? 13 Tage hat die Crew Zeit, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, dann erscheint die „The Invincible“, ein riesiges Kampf-Raumschiff der Allianz. Und die Allianz ist der Forschertruppe nicht gerade freundlich gesinnt. Soviel zur Vorgeschichte, wirklich selbst Hand an legen darf man, wenn man auf der Planetenoberfläche erwacht. Ohne das man sich daran erinnert, wie man überhaupt dort hingekommen ist…
Das Spielgeschehen erlebt man durch die Augen von Yasna, einer Wissenschaftlerin von der Dragonfly. Die Entwickler nutzen dabei die Ego-Perspektive, was der Immersion natürlich zuträglich ist, da man stärker in das Geschehen eingebunden wird. Das Gameplay setzt sich vor allem aus Laufen und vielen Gesprächen zusammen. Später darf man auch noch ein Fahrzeug steuern, ansonsten hält sich die Interaktivität jedoch in engen Grenzen. Das Spiel will vor allem eine Geschichte erzählen und den Spieler durch die gelungene Grafik und den atmosphärischen Sound in seinen Bann ziehen. Langeweile kommt übrigens keine auf, da der Protagonistin keine Atempause vergönnt ist. Bei einem Walking-Simulator ist das ganz wichtig, denn Leerlauf bedeutet Langeweile. Zwischendurch findet man immer wieder Dokumente, welche zusätzliche Anhaltspunkte und Informationen bieten. Ansonsten ist das Gameplay bewusst simpel gehalten.
Liebevolles Design
Großes Lob gebührt den Entwicklern zur grafischen Gestaltung von „The Invincible“. Sie haben es einerseits geschafft, dass sich der Planet fremd anfühlt, andererseits aber auch über „schöne“ Landschaften verfügt. Doch nicht nur die Gestaltung der Umgebung kann überzeugen, auch die klare Linie beim Design der Fahrzeuge, Roboter, Einrichtungen und Raumanzüge der Astronauten fügt sich super gut in das Gesamtbild ein. Der Stil im Look der 60iger wurde durch die starken Kontrastfarben und sexy Formen hervorragend eingefangen. Über die englische Sprachausgabe kann man ebenfalls nicht meckern. Bestenfalls fehlt eine deutsche Vertonung. Der Soundtrack bleibt zwar oft im Hintergrund, kann beim Hörer die ganze Zeit über ein schauriges Gänsehautgefühl erzeugen. Was mir abschließend noch aufgefallen ist, der Soundmix kommt mit einem Headset wesentlich klarer und präziser rüber – über die Heimboxen empfand ich den Mix als zu undifferenziert und auch irgendwie kraftloser.
Voyager-Update
Das Spiel ist bereits seit dem 06. November 2023 auf dem Markt. Trotzdem gibt es von uns erst jetzt einen Test. Dazu muss man sagen, dass ich ausdrücklich auf das Voyager-Update gewartet habe, denn dieses führt ein paar wichtige Änderungen ein. So wurde die Laufgeschwindigkeit von Yasna angepasst und außerhalb bestimmten Situationen (die aus dramaturgischen Gründen erforderlich sind) ist man nun wesentlich flotter unterwegs. Bloß gut, denn nichts ist in diesem Genre schlimmer, als das man im Schneckentempo durch die Gegend spaziert. Vor allem dann nicht, wenn eine gewisse Eile geboten ist. Der nächste Punkt betrifft eine optionale Außenansicht des Buggys. Vorher konnte man das Gefährt nur aus der Ego-Perspektive steuern, was durch die kleinen Fensterchen im Auto deutlich erschwert wurde. Jetzt schaltet man auf eine Third-Person Perspektive um und kann nebenbei auch noch das atmosphärische Landschaftsdesign würdigen. Zum Schluss wurde auch die Performance verbessert, bis auf Nachladeruckler beim Gebietswechsel, läuft das Spiel stabil mit 60fps und 4K Auflösung. Nebenbei existieren immer noch kleinere Grafikbugs und andere Fehlerchen. Im letzten Drittel funktionierte die visuelle Tastensteuerung bei mir zum Beispiel nicht mehr und nur ein Neustart behob das Problem.
Die Buchvorlage
„The Invincible“ basiert auf dem gleichnamigen Werk des Sci-Fi Autors Stanislaw Lem. Bemerkenswert dabei ist, dass der Pole das Werk bereits 1964 veröffentlichte, also in tiefsten Ostblock Zeiten. Nun mag sich der Umstand an einigen Stellen im Spiel wiederfinden (zum Beispiel am grafischen Design), doch die eigentliche Geschichte in „Der Unbesiegbare“, so der deutsche Titel, kann sich auch heute noch sehen lassen und zählt mit seiner intelligenten Sci-Fi Unterhaltung zu den zeitlosen Klassikern des Genres. Damit sollte doch alles geklärt sein, oder?
Fängt die Essenz der Geschichte nicht ein
Ich bin ehrlich, das Werk kannte ich vorher nicht, aber nachdem ich das Ende erlebt habe, war meine Neugier auf die Vorlage geweckt. Auf Wikipedia bekommt man eine recht umfangreiche Zusammenfassung geboten, ansonsten gibt es das Buch auch heute noch im Handel zu kaufen. Letztlich stellt sich jedoch heraus, dass das Spiel gar nicht so viel mit dem Buch gemein hat. Vielmehr könnte man es eine Art Prequel betrachten, das zwar die gleichen Themen aufgreift, aber am Ende vor allem an der Essenz – ja der Parabel der Geschichte scheitert. Schlimmer noch, was im Spieldurchgang für ein paar hochgezogene Augenbrauen sorgt, ergibt im Nachgang kaum noch Sinn. Beispiel gefällig? Das ganze Setup wirkt konstruiert und nicht plausibel. Was hat es mit dem Metall, das Novik (der Astrogator der Dragonfly) im Intro gefunden hat, auf sich? Und warum entschließt sich der Trupp den Planeten zu erkunden, obwohl die drohende Gefahr des Unbesiegbaren fast schon greifbar ist? Auch nach dem Abspann will das alle nicht so recht passen (und ja, es gibt mehrere Enden). Von daher ist „basiert auf“ doch ziemlich weit hergeholt und letzten Endes auch ein Faktor, was zur ultimativen Enttäuschung führen kann. Zumindest wenn man die Vorlage kennt, oder sich dann damit beschäftigt hat. Ohne den Verweis auf die Buchvorlage, wird man aber trotzdem gut unterhalten. Die Spannung bleibt jederzeit im oberen Drittel und man will wissen, wie alles ausgeht. Nur eben das Zeug zum Klassiker hat die Videospielumsetzung nicht.
FAZIT:
„The Invincible“ kann mit seiner dichten und unheimlichen Atmosphäre fesseln. Gottseidank handelt es sich dabei um kein Horror-Spiel mit Monstern. Hier wird die Spannung durch das wissenschaftlich aufbereitete Thema und die menschliche Hybris aufrechterhalten. Leerlauf existiert keiner und bereits nach fünf Stunden sieht man den Abspann. Der interessante Soundtrack und das gelungene Retro-Design fügen sich dabei passend in die Erzählung ein. Lediglich in Bezug auf die Vorlage, muss der Titel Federn lassen. Zum einen hat „The Invincible“ damit nur am Rande zu tun und zum anderen geht auch die Kernaussage des Buches flöten. Das hätte man definitiv besser lösen müssen. So bleibt ein netter Walking-Simulator, der unterhaltsam ist, aber die eigenen (hochgesteckten) Ziele nicht erreichen kann.
[Review verfasst von .ram ]
[ Gespielt auf der PS5 mit 4K HDR TV ]
Pluspunkte:
Packende Atmosphäre mit interessanten Thema
Kein Leerlauf, kein Verirren möglich
Perfektes visuelles Design
Minuspunkte:
Typisch für einen Walking-Simulator wenig Interaktivität
Recht kurz, wenn auch mit mehreren Enden
Versagt in Bezug auf die Buch-Vorlag fast gänzlich
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