Der Aufstieg von Supermassive Games war meiner Meinung nach eine der „Feel Good“-Geschichten der Videospiel-Industrie in den letzten Jahren. Zwar handelt es sich bei dem Studio um kein klassiches Startup mehr, da man bereits zu Beginn der 2010er an diversen Titeln gearbeitet hat, aber nichtsdestotrotz musste sich das Studio eine Zeit lang gedulden, um einen ersten richtig großen Erfolg zu erzielen. Aber der hatte es dann richtig in sich, als Until Dawn vor einigen Jahren auf der PS4 einschlug und die Gunst der Fans eroberte. Seitdem hat sich die britische Videospiel-Schmiede mit so Titeln wie The Inpatient und The Dark Pictures Anthology zu einer namhaften Größe im digitalen Horror-Genre entwickelt. Und ob Supermassive’s neuestes Spiel - The Quarry - an diesem hart erarbeiteten Erfolg anschließen kann, erfahrt ihr in den kommenden Zeilen!
Horror für eine Nacht
Das Hauptszenario von The Quarry führt euch in ein abgelegenes amerikanisches Summer Camp, wo nach einem anstrengenden Sommer eine Gruppe von Jugendlichen kurz vor dem Abschluss ihres Ferienjobs stehen. Im Stile eines klassischen amerikanischen Horrorfilms handelt es sich bei den Protagonisten um eine Gruppe aus mehr oder weniger reifen Jugendlichen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit als Camp-Mitarbeiter definitiv einige interessante Beziehungen aufgebaut haben, die jedoch - egal ob in sexueller oder freundschaftlicher Hinsicht - oft vor unvollendeten Ausgängen stehen. Glücklicherweise - oder sollte ich besser sagen unglücklicherweise - verschiebt sich die Abreise der Kiddos, wodurch sie für eine weitere Nacht im Camp verweilen müssen. Und genau hier fängt leider der wahre Horror an. Während die Jungs und Mädels nämlich die zusätzliche Zeit nutzen, um ihren offenen Angelegenheiten untereinander zu klären, wird aus einer harmlosen Nacht eine brutale Jagd, die die Teenager mit einer Vielzahl von mörderischen Gefahren konfrontiert. Und ganz im Stile der vorangegangen Supermassive Spiele liegt es an euch, wie ihr mit diesen Situationen umgehen wird.
Film oder Spiel?
Wie auch in Supermassives vorangegangenen Spielen sind die altbekannten Quick Time Events und Entscheidungsfindungen die maßgeblichen Gameplay-Funktionen, um die Story voranzutreiben. So kann man zum Beispiel die Motive und Gefühle der Charaktere vor allem durch die Entscheidungsfindungen manipulieren; beispielsweise indem man eher aggressivere Kommentare als beruhigende abgibt - oder indem man egoistisch handelt, anstelle dem anderen zu helfen. So kann man nicht nur die Handlung beeinflussen, sondern gegebenenfalls auch neue Story-Verläufe freischalten. Dennoch fand ich die Menge an Auswahlmöglichkeiten im Vergleich zum Beispiel zu den Telltale-Spielen oder der Life Is Strange Trilogie relativ überschaubar. Stattdessen sitzt man oft längere Strecken vor dem Bildschirm, ohne wirklich die Handlung beeinflussen zu können. Und leider muss ich an dieser Stelle erwähnen, dass sich der Spannungsbogen des Spiels leider nur extrem langsam aufbaut. Erst gegen Mitte des ersten Durchlaufs hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, wirklich am Schicksal der Teenager interessiert zu sein. Bis dahin war es jedoch ein relativ langweiliger Weg. Und um ehrlich zu sein, hat mich auch der Gruselfaktor zum großen Teil relativ kalt gelassen. Lag es vielleicht daran, dass man solche Teenie-Slasher eventuell schon zu genüge gesehen hat? Eventuell! Doch gegen Spielmitte zieht wenigstens die Action etwas an, wodurch man seine Fingerfertigkeit an zahlreichen Quick Time Events zur Schau stellen kann. Zwar mag nicht jeder ein Fan von QTEs sein, aber inzwischen gehören sie zu den Supermassive Spielen genau so wie der Deckel auf den Topf. Zwischendurch gibt es es dann auch wieder normale Laufpassagen, wo man entweder einen speziellen Gegenstand finden muss oder sich einfach zur nächsten Location begeben muss. Diese Momente, wo man mal Kontrolle über die Charaktere hat, sind jedoch recht rar und auch nicht sehr fordernd. Alles in allem wirkt The Quarry im Vergleich zu seinen inoffiziellen Vorgängern zwar deutlich cineastischer aber auch weniger interaktiv. Dieser Faktor sorgt dann auch dafür, dass weitere Läufe durch die Geschichte nicht allzu attraktiv sind. Da man weder Gameplay-Passagen noch Dialoge überspringen kann, hat mir persönlich zum Beispiel ein einziger Lauf auf jeden Fall gereicht. Das Spiel zieht gegen Ende zwar richtig an, aber zum erneuten Durchspielen regt es nur bedingt an. Und dem kann auch der neue Film-Modus nur geringfügig entgegenwirken. Hier kann man sich die Story ganz ohne jeglichen Input in einem Rutsch angucken, nachdem man vor Spielbeginn die Entscheidungswilligkeit der Charaktere quasi vorprogrammiert hat. Im Anschluss läuft das Spiel automatisch ab, während die jeweiligen Charaktere gemäß den zuvor eingerichteten Einstellungen ihre Entscheidungen automatisch auswählen. Eine durchaus interessante Idee, die aber wohl nur die wenigsten Zocker ansprechen wird.
Grafik & Sound
Während das Gameplay und die Story enorm an vorangegangene Projekte von Supermassive erinnern, zeigt vor allem die Grafik, dass das Studio einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht hat. Vor allem stechen dabei die hervorragenden Charaktermodelle heraus, die allesamt nach bekannten Hollywood- bzw. TV-Größen modelliert wurden, darunter auch Ted Raimi (Tanz der Teufel), Justice Smith (Jurassic World: Forbidden Kingdom) oder auch David Arquette (Scream). Die Modelle sehen nicht nur fantastisch aus, sondern helfen auch dabei, dass sich das Spiel deutlich hochwertiger und moderner anfühlt. Darüber hinaus läuft das Spiel zu jeder Zeit absolut flüssig. Es hilft wahrscheinlich auch, dass sowohl oben als auch unten am Bildschirmrand dicke Balken vorhanden sind, wodurch nicht ganz so viele Pixel gerendert werden müssen, wie normal üblich. Nichtsdestotrotz sorgt der enorme Detailreichtum dafür, dass es optisch gesehen definitiv ein absoluter Hingucker ist. Nicht ganz so überzeugend sind hingegen die Animationen ausgefallen, die während des Gameplays nicht ganz so flüssig wirken, sondern eher etwas hölzern daher kommen. Auch die Gesichtsanimationen sind ab und zu etwas übertrieben animiert, und sorgen gelegentlich dafür, dass man aufgrund des Uncanny Valley Effektes leicht aus dem Moment gezogen werden kann. Darüber hinaus ist mir bei der Nutzung eines OLED-TVs aufgefallen, dass das Bild extrem dunkel dargestellt werden kann. Etwas, was ich bei keinem weiteren Spiel bislang auf einem OLED gesehen habe. Eventuell lohnt es sich also etwas mit den Bildeinstellungen zu spielen, bevor man das Spiel beginnt. Dennoch fand ich das grafische Paket, welches Supermassive, zum Laufen gebracht hat, alles in allem sehr beeindruckend. Die Charaktermodelle sind fantastisch und auch die Licht- und Schatteneffekte sind Referenz-würdig.
Was den Sound angeht, muss ich zugeben, dass mir die Performance von den Schauspielern im Großen und Ganzen nur bedingt gefallen hat. Zwar ist es nicht schlecht, die richtigen Stimmen zu den jeweiligen Gesichtern zu hören, dennoch musste ich in Laufe der Zeit feststellen, dass nicht jeder Akteur mit der gleichen Motivation am Start war, und manche Dialoge echt dahin gesäuselt klangen. Dieses Gefühl zieht sich leider durch das gesamte Spiel, was natürlich angesichts der zahlreichen Gespräche und Zwischensequenzen sehr schade ist.
FAZIT:
Trotz der technischen Stärken bin ich mit The Quarry nie so richtig warm geworden. Die Story braucht lange um ins Rollen zu Kommen, und viel zu oft wird man mit langweiligen Dialogen und Gesprächen konfrontiert, die 1:1 aus einem 08/15 Teen-Slasher der 2000er kommen könnten. Natürlich verstehe ich, dass das Studio genau diese Art des Horrors angestrebt hat, aber leider habe ich im Großen und Ganzen das gewisse Etwas vermisst. Würde ich ein Durchspielen dennoch empfehlen? Ja. Wenn man auf diese Art von Spiel-Erfahrungen steht, lohnt sich ein einmaliges Durchspielen auf jeden Fall - wenn auch nicht zum Vollpreis meiner Meinung nach. The Quarry ist ein grund-solides Horror-Adventure mit einer schönen Optik, welches ein wenig braucht, um in die Pötte zu kommen. Wer jedoch Wiederspielwert und eine smarte Story sucht, wird hier nur bedingt überzeugt.
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