Spin-Offs haben es schwer. Einerseits sollen sie die alten Fans abholen, andererseits will man auch etwas Neues zu sehen bekommen. Tja und dann gibt es „Tiny Tina`s Wonderlands“, welches ganz ohne großes Tamtam angekündigt wurde und auf den ersten Blick ein kleines Nebenprojekt bzw. aufgeblasener DLC der „Borderlands“ Reihe sein könnte. Da ist es kein Wunder, dass das Spiel von der Presse wie auch von den Fans links liegen gelassen wird. Schade eigentlich, denn das Pen-&-Paper-Rollenspiel Szenario bringt frischen Wind in die Serie und bietet nebenbei auch die Möglichkeit, endlich kreativer zu werden. Ich lade euch also zu einer epischen Runde mit Drachen, Skeletten und Piraten ein! Willkommen bei…
Bunkers & Badasses
Der Drachenlord ist aus seinem Grab auferstanden und überzieht die Wonderlands mit einem Heer aus bösen Schergen! Nur einer kann es mit ihm aufnehmen, der Schicksalsbringer! Er hat die Macht, das magische Schwert zu führen und den Fiesling in seine Schranken zu weisen. Doch bevor es auf die abenteuerliche Reise geht, muss das Schloss Prachthuf und seine Königin Arschgaul gerettet werden. Diese epische Geschichte wird von der allseits beliebten Tiny Tina erzählt, die als Kampagnenleiterin dieser Bunker & Badass Runde fungiert. Doch ganz ihrem Charakter treu, verändert sie diese immer wieder um kleine Details, oder schreibt sie gleich komplett neu. Vielleicht um von etwas abzulenken? Kann es sein, dass dieser Drachenlord doch ein eigenes Leben führt? Denn immerhin meldet er sich öfters selbst zu Wort und zweifelt die Entscheidungen der Spielleiterin an. Als Neuling in dieser Bunker & Badass Runde folgt man erstmal brave den Anweisungen von Tiny Tina und ihren beiden Begleitern Frette und Valentina. Man streift durch verlassenen Ruinen, Unterwasserwelten und Piratenfestungen. Immer auf der Suche nach dem Drachenlord und natürlich Bewohner, die auf die Hilfe des Schicksalsbringers angewiesen sind. Man trifft auf verstorbene Geister, die ihrer alten Liebe hinterhertrauern. Kobolde die frappierend an die Schlümpfe erinnern, oder man klettert sogar die bekannte Bohnenstange hoch. Abenteurerherz was willst du mehr? Eines ist im Verlauf der Reise sicher, es wird kein Fantasy Klischee ausgelassen!
Das bekannte „Borderlands“ Gerüst
Man darf sich zu Recht fragen: Wie passen automatische Maschinengewehre und Schrotflinten in die Fantasy Welt? Das ist im Grunde recht einfach: Energiezellen werden durch Kristallen getauscht und statt Granaten gibt es nun Zauber. Dadurch konnten die Entwickler das bekannte Gameplay praktisch aus „Borderlands 3“ übernehmen und ihm noch etwas Feinschliff verpassen. Kernelemente bleiben die Suche nach der besten Ausrüstung und natürlich das Hamstern von Erfahrungspunkten. Man steigt im Level auf und verdient Skill-Punkte, die man in seine Figur investiert und dadurch mächtiger wird. Wobei man später sogar einen zweiten Skillbaum wählen darf. Daneben gibt es noch die unterschiedlichen Charakterslots zu füllen. Neu sind Rollenspiel typische mächtige Amulette und schmucke Ringe. Klassenmods wie auch Schilde bleiben in ihrer bekannten Form erhalten. Die Steuerung und Bewegungen fühlen sich aber einen Tick besser an, als in „Borderlands 3“ und man bewegt sich ein bisschen agiler durch die unterschiedlichen Regionen. Im Gegensatz zum Quasi-Vorgänger sind diese Welten nun kleiner und schlauchförmiger. Unnötige Fahrpassagen hat man komplett weggelassen. Stattdessen wird auf kleine Sprungeinlagen gesetzt. Die Welten sind zudem deutlich vertikaler aufgebaut und überraschen mit Arenen, die aus verschiedenen Ebenen bestehen. Das gestaltet die Feuergefechte deutlich abwechslungsreicher. Auch bei den Gegnern gibt es grafisch mehr Abwechslung. Zwar teilen sie oft die gleichen Rollen (Schütze, Nahkämpfer, Sprengkommando, etc.), aber das Setting lässt zu, das es statt normalen Menschen nun Skelette, Zombies, Piraten und Kobolde gibt. Letztere sind übrigens ein großes Ärgernis, da sie sich mit ihrem Raketenrucksack schnell durch die Arenen bewegen können. Auch gibt es wieder einen zentralen Ort, von wo man die Reise antritt: Das Königreich Prachthuf. Hier findet man auch Questgeber. Diese Aufgaben verlaufen wie gewohnt, man sucht bestimmte Objekte, oder ein spezieller Gegner soll erledigt werden. Aber wie immer mit einem eigenen Charme und überraschenden Wendungen. Doch was unterscheidet diesen Teil nun von den anderen?
Wähle deinen Helden!
Bei Spielbeginn darf man sich erstmals in der Reihe, einen eigenen Helden erstellen. Das Aussehen bestimmt ihr. Körpertyp, Größe, Geschlecht, Form der Nase, Form der Ohren und mehr - hier kann man sich lange austoben und man kann es jederzeit auch wieder ändern. Auch die Rüstung muss entsprechend eingefärbt und mit Mustern versehen werden. Keine Sorge, die anfangs sehr eingeschränkte Auswahl erweitert sich im Laufe der Reise sehr schnell. Auch haben die gefundenen Klassenmods Auswirkungen auf eure Erscheinung. Danach geht es weiter zur Auswahl der Klasse. Diese gibt vor, welche Fähigkeiten ihr einsetzen könnt. Mehr ein Nahkämpfer der Frostschaden austeilt, oder doch ein Magier der zwei Zauber auf einmal einsetzt? Später könnt ihr eine zweite Klasse wählen und so euren Nahkämpfer in einen Magier umwandeln. Das eröffnete interessante Kombinationen zum Experimentieren. Doch bevor man so weit ist, gilt es die Attribute wie Kraft, Ausdauer, etc. zu verteilen.
Nach der ersten Mission findet ihr euch auf einer großen Karte, welche das Spielbrett darstellt. Hier bewegt man die Figur zu unterschiedlichen Levels und Herausforderungen. Auch die eine oder andere Quest kann man hier erledigen. Zudem findet man hier Kampfarenen. Diese Arenen warten mit Fallen und Horden von Gegnern auf. Die beste Gelegenheit, die neuen unzähligen Zauber zu testen! Zielsuchende Elektro-Adler, ein Meteoritenschauer, ein Wirbelsturm oder doch eine kleine Hydra, die als stationäres Geschütz dient? Die Entwickler haben hier aus dem Vollen geschöpft und Zaubern regelrecht ein spielerisches Feuerwerk auf den Bildschirm! Durch Abschluss dieser Arenen kommt man in den Genuß von Schreinteilen, die Erfahrungswerte, Angriff oder Geld-Belohnungen im Laufe der Reise erhöhen. Somit gibt es neben einer guten Waffe, einen weiteren Grund diese Arenen abzuschließen. In den Welten findet man zudem eine Vielzahl an Spiel-Würfeln. Diese erhöhen das Beute-Glück in diesem Bereich. Somit macht es durchaus Sinn, die Welten genauer zu durchsuchen, umso an rare orangefarbene Ausrüstung zu kommen. Diese ist in den „Wonderlands“ tatsächlich rar. Aber die anderen Ausrüstungen wurden aufgewertet, wodurch die Farbe/Seltenheit nicht immer den wahren Nutzen widerspiegelt.
Tausche Science-Fiction gegen Fantasy
Auch bei der grafischen Gestaltung merkt man die Inspiration von Pen-&-Paper-Rollenspielen. Die bereits erwähnte Oberwelt ist eine Mischung aus Tiny Tinas Fantasie und realen Elementen. Hier mal eine Limo Dose, da ein Radiergummi. Die Welten sind an dieser Stelle „realistisch“ gehalten und man bricht nur aus dem Design aus, wenn Tina dem Spieler die Bossgegner vorstellt. Man merkt jedoch mit wieviel Liebe die Entwickler an das Projekt gegangen sind. Alles wurde von Grund auf neu erstellt und bekam einen ordentlichen Fantasy-Anstrich verpasst, natürlich im bekannten „Borderlands“ Cel-Shading Design. Generell wurde jedoch hinsichtlich der Optik sehr wenig von der „Borderlands“-Reihe übernommen. Man muss schon genau danach suchen. Jedoch bleibt das Manko der Copy & Paste Elemente weiterhin bestehen, welches nun seit Jahren die Reihe plagt. In Prachthuf fällt es mehr als deutlich auf, schließlich gibt es nur drei Stadtbewohner und drei Marktstände. Tja und Kisten zum Öffnen findet man nach wie vor an jeder Ecke. Das wohl beliebteste Füllelement der Serie. Technisch ist die Engine also schon etwas in die Jahre geraten. Zwar sind die Texturen knackig, aber das war auch schon bei der PS4 Version so. Der Cel-Shading Look verzeiht hier viel und überpinselt so manch kleines Problem. Aber man sollte das Positive sehen, denn so kommt man in den Genuss von 60fps. Zumindest, wenn man auf die volle 4K Auflösung verzichtet. Dies kommt dem sehr schnellen Gameplay dennoch zu gute.
Wer will, kann die Kampagne Online und Offline mit bis zu drei weiteren Spielern gemeinsam in Angriff nehmen. Ohne große Hindernisse steigt man in das Spiel eines Freundes oder Unbekannten ein. Das System versucht zwar dafür zu sorgen, dass man einen ähnlichen Spielfortschritt hat, leider gelingt das nicht immer. So kann es schon mal vorkommen, dass man das Ende einer Quest verpasst. Diese zählt dann als erledigt. Auch gibt es einige Bugs, die es ins Spiel geschafft. Der Bildschirmtext bleibt schon mal länger stehen, die Verbindung zum SHIFT Netzwerk klappt nicht, oder auch die Quests wollen im Tagebuch nicht erscheinen. Ärgerlich, aber kein Bug der zu einem Spielabsturz führt, oder massiv die Spielfreude schmälern könnte. Bis auf den lästigen Fehler welcher die Platinum Trophäe verhindert, blieb ich größtenteils verschont. Jedoch gibt es im Netz Berichte, dass der lokale Mehrspielmodus zu vermehrten Abstürzen führen kann. Akustisch gibt es beim Soundtrack einiges zu bemängeln. So fehlen die liebgewonnenen Intro Songs aus der „Borderlands“-Reihe. Zudem plätschert die Hintergrundmusik leise vor sich hin und tritt kaum in Erscheinung. Ein musikalisches Thema wird wohl niemanden in Erinnerung bleiben. Dafür hat man bei der englischen Sprachausgabe aus dem Vollen geschöpft. Will Arnett spricht den Bösewicht, Ashly Burch spielt hervorragend Tiny Tina und Wanda Sykes und Andy Samberg übernehmen die Begleiter. Aber auch die deutsche Sprachausgabe ist sehr gelungen und passt perfekt zu den Figuren. Mein persönliches Highlight bleiben die NPC in den Missionen und natürlich die Skelete. Ich bin immer wieder erstaunt, was die Gerippe beim Angriff und bei ihrem Ableben von sich geben. Bei den NPC sticht die Mission von Zygaxis hervor. Nehmt euch Zeit und lauscht dem Ritus, es lohnt sich!
Das Warten auf Next-Gen
Auch wenn das Spiel sehr solide aussieht, ist man hier noch weit hinter dem, was man sich von einem PS5 Titel erhofft. Wer „Borderlands 3“ auf der PS5 spielte, weiß was einem hier erwartet. Der Vorteil dieses Cross-Gen Spiels ist, dass man jederzeit auch zur mitgelieferten PS4 Version wechseln kann und damit auch ein Cross-Play möglich ist (Anm. der Red.: Das stimmt nicht ganz, man muss die teure Next-Level oder Chaotic Edition kaufen, die Standard-Fassung umfasst nur die PS4 Version. Also sei froh, das 2K Games nicht die Holzklasse zum Testen verschickt hat). Immerhin, die PS5 Fassung profitiert stark von der SSD Festplatte. Das Spiel kommt fast ohne Ladezeiten aus. Dank den unzähligen Waffen wird auch der DualSense Controller gefordert. Zum Beispiel fühlt sich der Abzug bei jeder Waffe anders an. Am Ende bleibt noch der 4-Spieler Modus, der den Next-Gen Konsolen vorbehalten ist.
FAZIT:
Ich hatte mir damals die Deluxe Version von „Borderlands 3“ gekauft, aber weder das Hauptspiel noch der DLC konnten mich fesseln. Die Magie von Teil 2 war einfach nicht mehr da, doch „Tiny Tina`s Wonderlands“ strahlt diese wieder aus. Statt einer epischen Geschichte gibt es irrsinnige Quests mit einem Batzen Humor, den auch schon Teil 2 auszeichnete. Immer etwas unter die Gürtellinie, aber nie zu tief. Auch das die Entwickler sich auf die Stärken des Gameplays besonnen haben und unnötige Funktionen entfernt wurden, hilft ungemein. Es macht einfach Freude, die Arenen von unterschiedlichen Gegnertypen zu befreien. Man hüpft, klettert und rutscht durch die Gegend und feiert eine nie enden wollende Auswahl an Waffen und Zauber. Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich der Typ Spieler bin, der genau auf sowas steht. Hin und wieder brauche ich Spiele, bei denen ich einfach das Gehirn abschalten kann und mich an flachen Witzen erfreue. Auch eine ausgeklügelte Kartengestaltung mit Alternativrouten und mehrstufige Quests brauche ich nicht immer. Ein klares Ziel und wie komme ich am schnellsten von A nach B reicht mir hier vollkommen! Mehr wollte ich von der Reihe auch. Für mich persönlich stellt der Titel somit ein Highlight der Serie dar und kommt gleich nach „Borderlands 2“! Aber das Spiel ist nicht ohne Fehler. Man muss sich zum Beispiel mit dem sehr zähen Einstieg abfinden. Es dauert, bis der Titel all seine Stärken ausspielen kann. Hat man aber alle Ausrüstungsslots freigeschaltet und findet die ersten unterhaltsamen Waffen, beginnt die Reise erst richtig. Nach 10-12 Stunden ist der Spaß an der Hauptquest aber schon wieder vorbei. Die Missionen sind einfach zu oft zu kurz. Glücklicherweise gibt es nach dem Ende einiges zu tun. Man kann beliebig die Klassen wechseln und sich an einer Rouge-Like Arena-Herausforderung versuchen. Das Spiel kennt seine Stärken und auch sein Zielpublikum. Fans von „Borderlands 2“ werden sich gleich zu Hause fühlen! Schade bleibt nur, dass „Tiny Tina`s Wonderlands“ erst einmal „nur“ ein einmaliges Spin-Off darstellt.
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