Im Jahr 2001 erschien das Aufbauspiel Startopia für den PC. Die Aufgabe war einfach: Führe eine Raumstation zum wirtschaftlichen Erfolg. Damals (wie heute) hatte ich eine Vorliebe für Aufbauspiele und Science-Fiction liegt mir sowieso. Ich verbrachte also unzählige Stunden mit dem Spiel, aber mein jugendliches Ich kam bald an seine Grenzen. Das Micro-Management nahm ab einem gewissen Zeitpunkt einfach überhand und der stets gleiche Ablauf begann zu langweilen. Zwanzig Jahre später stelle ich mich nun wieder dieser Herausforderung. Zeit den Nachfolger von den Realmforge Studios auf Herz und Nieren zu prüfen!
Willkommen zurück Commander!
Mit einer coolen Geschichte kann das Aufbauspiel nicht gerade aufwarten. Wobei das zugegebenermaßen auch keine Stärke des Genres ist. Stattdessen gibt es gewohnt Missionen, die eine kurze Einführung in die verschiedenen Aufgaben eines Raumschiff-Commander bieten. Diese reichen vom Beseitigen eines Müllproblems bis hin zu einem Kampf mit einem Rivalen. Die ersten Missionen folgen stets derselben Formel und bieten kaum Abwechslung. Bis auf ein paar einzigartige Dialoge unterscheiden sich die Szenarien kaum voneinander. Wobei auch die Ziele immer ähnlich ausfallen. Mal muss man geheilte Patienten in die Krankenstation verfrachten und dann sind es missionierte Besucher im Tempel. Erst die letzten drei der zehn Missionen bieten etwas strategische Abwechslung. Während den Missionen wird man von einer KI begleitet, welche ab und zu gute Ratschläge gibt, aber die meiste Zeit nur schlechte Wortwitze vom Band lässt. Dieser „Hahaha, du bist eine dämliche Kohlenstoff-Lebensform“ Humor nützt sich leider sehr schnell ab. Andere Interaktionen findet man leider nicht.
Ich bau mir eine Raumstation, fast so, wie sie mir gefällt
Wer sich den Missionen erfolgreich gestellt hat, kann sich im Endlos-Modus der wahren Aufbau- und Wirtschaftsherausforderung stellen. Hier gibt es jedoch Zahlreiches zu beachten. Vieles hat man vom Vorgänger übernommen, anderes kam neu hinzu. Noch immer ist die Station in drei Etagen aufgeteilt: Industrie, Vergnügung und Entspannung. Im Industriedeck werden die Besucher empfangen und die grundlegenden Bedürfnisse wie Schlafen und ärztliche Untersuchungen erfüllt, alle weiteren Einrichtungen dienen dem Erhalt der Raumstation. Für eine erfolgreiche Runde sind Sicherheitszentrale, Händlerdock und Forschung ein Muss. Bei fortschreitendem Besucheraufkommen schleichen sich nicht nur Diebe an Bord, sondern es steigen auch die Bedürfnisse von Luxusgüter, welche erst einmal erforscht werden müssen, dann in der Fabrik erzeugt werden und schlussendlich ins Lager kommen. Abgerundet wird das Ganze mit der Müllentsorgung. All diese Einrichtungen verschmutzen die Luft, was den Bau von Luftfiltern wiederum notwendig macht. Auch sollte man nicht auf Reinigungsroboter verzichten. Zwar bietet dieses Deck am meisten Platz, doch müssen viele Strukturen an Wänden platziert werden. Auch muss bei der primären Planung der Sicherheitsmech berücksichtigt werden, der eine Laufwegbreite von drei Kacheln benötigt.
Gemütlicher geht es im Partydeck zu. Hier muss man nur die unzähligen Vergnügungseinrichtungen errichten. Noch dazu in ausreichender Anzahl und mit reichlich Abwechslung, damit alle Besucher glücklich sind. Wie im Industriedeck hat man hier auch mit Luftverschmutzung und Müll zu kämpfen. Ebenfalls müssen die Strukturen immer in der Nähe eines Stromgenerators sein, sonst fehlt ihnen schlichtweg die Energie. Zu guter Letzt geht es noch in das Biodeck. Hier findet man verschiedene Landschaften und Fauna vor. Nur auf einen ausgewogenen Mix von Landschaften und Wasser muss man achten. Nicht jeder Besucher fühlt sich in der eisigen Tundra wohl und sehnt sich eher nach einer kargen Mondoberfläche. In einem Untermenü kann man das Deck den Bedürfnissen der unterschiedlichen Aliens anpassen und Berge und Seen erzeugen.
Was sich alle drei Ebenen teilen, ist die Planung an Hand von Kacheln. Jedes Objekt muss eine Mindestgröße haben. Dann gilt es oft, die Einrichtung entsprechend dem Platz zu situieren und man sollte nicht die Tür vergessen. Glücklicherweise werden hier auch vorgefertigte Größen geboten, die ein Platzieren deutlich erleichtern. Ist einen Sektor vollgebaut, wird es Zeit die Basis zu erweitern. Dazu muss man auf die Schleuse klicken und mit den nötigen Kredits steht ein weiterer Sektor zur Verfügung. Alles was jetzt noch fehlt, sind die Besucher.
Ihr seid nicht von hier?
Das Design der Aliens orientiert sich am Vorgänger, es wurden jedoch auch neue Arten hinzugefügt. Dadurch entsteht eine bunte Mischung aus Althergebrachten und neuen Ideen. Jedes dieser Aliens hat nicht nur bestimmte Vorlieben, sondern eignet sich nur für bestimmte Arbeiten. Rekrutiert man es, geht dieses automatisch seiner Arbeit nach, sofern es die notwendigen Stationen gibt. Danach gibt es nicht mehr viel zu beachten, außer dass man das Alien von Zeit zu Zeit befördern sollte (also wie im echten Leben – Har Har Har). Durch die unzähligen Strukturen wächst die Liste der Angestellten, was das Management sehr schnell unübersichtlich macht. Zwar wurde versucht, im Angestellten-Menü mit Sortierfunktionen zu arbeiten, doch ist die Bedienung mit dem Controller ein Krampf. Und vergisst man seine Arbeiter zu befördern, kündigen diese nämlich. Glücklicherweise kann den Angestellten sofort mit einem anderen Alien der gleichen Rasse ersetzen, denn bis auf den Namen sind alle Figuren praktisch gleich. Wer seine Besucher genauer beobachtet, findet unterschiedliche Anforderungsbalken. Diese reichen von „Flair der Station“, bis „Unterkunft“ und „Spaß“. Dadurch dass es so viele Balken gibt, ist es aber schwer, jedes dieser Bedürfnisse in den grünen Bereich zu bekommen. Auch lässt sich nur erahnen, welches Gebäude einen positiven oder negativen Einfluss darauf hat. Wenigstens sind die Besucher auf dem leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade recht Sind die Bewohner zufrieden, kann man sich einer positiven Besucher-Wertung sicher sein, was wiederrum dem Ruf der Station zu Gute kommt und neue Aliens anlockt. Denn nur eine gut gefüllte Raumstation, ist eine lukrative Raumstation!
Forschung, Industrie und Kampf aus der Steinzeit
Nachdem das Genre der Aufbauspiele bereits seit Jahrzehnten existiert, sollte es mittlerweile einen „optimalen Forschungsbaum“ geben. Oder zumindest genügend Beispiele, wie man es nicht macht. Selten habe ich so einen steifen und seltsam strukturieren Forschungsbaum wie in „Startopia“ gesehen. Es fängt zum Beispiel dabei an, dass man eine eigene Währung benötigt, um überhaupt Technologien freizuschalten. Anstatt diese wie üblich in einem Forschungslabor zu entwickeln. Und was dem Ganzen dann noch die Krone aufsetzt: Währung bekommt man nur, wenn Zeit im Spiel verstreicht, oder wenn die Besucher glücklich sind. Das erinnert mich dann doch eher unangenehm an Free 2 Play (oder Pay 2 Win) Spiele auf dem Handy.
Also zurück zur Thema: So schaltet man Technologie für Technologie frei, bis man endlich genug freigeschaltet hat, um wiederrum die nächsthöhere Technologie-Stufe zu entsperren. Dann beginnt der Ablauf von vorne. Das macht das Spiel sehr zäh und frisst unnötig viele Spielstunden. Die Industrie orientiert sich dagegen stark am Vorgänger. In der Fabrik werden Rohstoffe, welche im Biodeck produziert werden, in Waren umgewandelt. Diese werden eingelagert, verbraucht oder verkauft. Zumindest kann man hier Daueraufträge erstellen, doch scheitert es oft an der Rohstoffproduktion. Hier muss man als Commander selbst einschreiten und Pflanze für Pflanze im Biodeck abernten und in die Fabrik teleportieren. Die Fabrik erlaubt auch fertige Baupläne von Strukturen zu erzeugen, welche dann von der Forschung untersucht werden und ein neues Strukturlevel freischalten. Dieses gilt es dann wieder in der Fabrik zu bauen und abermals ins Forschungslabor zu schicken. Diesen Vorgang macht man so oft, bis man das maximale Level erreicht hat. Schnarch!
Irgendwie kann man diese Probleme noch Kontern, in dem man stumpf zahlreiche Fabriken baut, das Biodeck vergrößert und ohne zu nachdenken Aliens einstellt. Die spielerische „Lösung“ für Kämpfe ist wahrlich einzigartig und sollte von niemanden kopiert werden. Umständlich gelangt man über eine Tastenkombination in den Kampf-Modus, denn die Sicherheitsmechs können nicht direkt angeklickt werden (warum auch immer). Das funktioniert nur über die Kampfauswahl. Von dort gibt man den Angriffsbefehl und schaut zu, wie sich der Mech durch die Basis bewegt. Ich kann nur hoffen, dass jeder dran gedacht hat, die Gänge drei Kacheln breit zu bauen und natürlich auch nicht die speziellen Aufzüge für die Mechs vergessen wurden. Ansonsten ist der Roboter gefangen. Gelangt er jedoch zum Zielort, dann darf man dabei zusehen, wie er stumpf den Gegner attackiert.
Ein Holodeck ist das aber nicht!
Grafisch spielt Spacebase Startopia in der Mittelklasse. Die Optik erfüllt ihren Zweck ohne besonders dabei zu glänzen. Bei Aufbau- und Wuselspielen macht normalerweise das geschäftige Treiben der Besucher den Reiz aus, aber hier scheint etwas zu fehlen. Die Besucher unterscheiden sich nur in ihrer Rasse und in ihrem Namen. Jeder ist austauschbar und somit lohnt es sich nicht, dessen Treiben zu verfolgen. Einrichtungen wurden augenscheinlich liebevoll animiert, aber wenn man genauer hinsieht, dann spielen sich immer die gleichen Szenen ab. Musikalisch plätschert eine Melodie nach der Anderen im Hintergrund vor sich her und wird ab und zu von Effekten der Einrichtungen unterbrochen. Dazu kommt die sehr nervige KI mit ihrem schlechten Wortwitz. Abgerundet wird die technische Mittelmäßigkeit damit, dass bei steigendem Besucheraufkommen, die Framerate zusammenbricht und es zu Ruckeln beginnt. Selbst mit der PS5 ist man vor diesem Problem nicht gefeilt.
FAZIT:
Letztes Jahr hat mich das „Two Point Hospital“ gefesselt (siehe Review). Auch das hatte mit einer etwas unglücklichen Steuerung und Micro-Management zu kämpfen. Der Unterschied war aber, dass es Spaß machte und man freudig dem Treiben zusehen konnte. Bei „Spacebase Startopia“ steigt jedoch erstaunlich schnell der Frustfaktor. Einerseits liegt es daran, dass man kurz nach dem Start mit jeder Menge Micro-Managment Aufgaben zugeschüttet wird, andererseits an der trägen und selten intuitiven Wirtschaft und Forschung. Es ist auch nicht hilfreich, dass man sich die letzten beiden Punkte mühevoll erarbeiten muss. Das Spiel vergisst oft, wesentliche Funktionen zu erklären. Auch könnte die Tastenbelegung deutlich besser gelöst werden. Das Spiel zwingt es auf diese Weise schnell zu erlernen, denn zu viele Aufgaben muss man als Commander persönlich erledigen. Da verbringt man durchaus Minuten damit, Müll zu beseitigen oder Rohstoffe vom Biodeck zur Fabrik und danach ins Lager zubringen. Ich mag nicht alles schlecht reden, denn die 10 vorgefertigten Missionen wissen durchaus zu beschäftigen und zu unterhalten, nur glänzen sie nicht mit neuen Ideen. Mir scheint dieses „Startopia“ eher ein Remake zu sein, als eine Neuinterpretation. Da hätte ich mir mehr Mut von den Entwicklern gewünscht und auch, dass man auf das eine oder andere alte Spieldesign verzichtet. Dann wäre deutlich mehr drin gewesen. Ein Mehrspieler-Modus wird zwar auch geboten, aber ich konnte nie einen zweiten Mitspieler finden. Nach 20 Jahren konnte mich das Spiel nicht nochmal abholen. Mal schauen, ob ich mich 2041 dem nächsten Ableger stellen kann.
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