Ein Mystery Spiel bewirbt man am besten mit einem guten Trailer, der vieles zeigt und doch nichts verrät. Hier ein paar Andeutungen, da ein scheinbar tiefsinniger Satz und am Ende noch einige skurrile Bilder, welche das Interesse wecken sollen. Bei mir hat das funktioniert und schon war ich 2,5 Stunden als schweigsamer Anhalter unterwegs!
Ein Weg. Fünf Fahrer
Ach Kopernikus, wie konntest du nur hier landen. Weit und breit keine Menschenseele zu sehen und doch hält ein Rosinenbauer mit seinem Auto an und nimmt dich mit. Ein freundlicher Typ, der dir sogar eine Rosine anbietet. Eine reichlich seltsame Rosine, aber sie schmeckt. Dann beginnt er von seiner Frau zu reden, die leider nicht mehr unter uns weilt. So genieße ich die scheinbar endlose Fahrt, doch irgendwas kommt mir seltsam vor? Ich versuche mich zu erinnern: Warum sitze ich eigentlich hier? Warum nennt er mich Kopernikus? Warum sagt mir der Typ, denn ich eigentlich nicht kenne, dass wir uns schon mal begegnet sind? So viele Fragen, aber ich komme zu keiner Lösung, nur das meine Erinnerungen bis zu dem Moment reichen, als ich in dieses Auto gestiegen bin…
“Hitchhiker - A Mystery Game“ sieht sich als geheimnisvolles Mystery-Road-Trip Abenteuer. Bei jeder der fünf Fahrten teilt ihr den Wagen mit jemand anderen. Die Gespräche beginnen oft, in dem der Fahrer aus seinem Leben erzählt und den Anhalter versucht, an seines zu erinnern. Schnell wird deutlich, dass es der Verlust der Freundin ist, welcher im Hinterkopf nagt. Aber warum das so ist, bleibt erstmal offen. So wirft euch jeder der fünf Fahrer ein Puzzleteil zu, dass sich am Ende zu einem Ganzen verbinden soll. Doch interessanter als das eigene Geheimnis, ist das Leben der Personen, die euch auf der Straße mitnehmen.
Vier Weisheiten und leichte Kopfnüsse
Vier dieser Fahrer konfrontieren den Anhalter mit ihren Lebensweisheiten. Diese werden sehr abstrakt erzählt und deren Sinn ist nicht gleich zu erkennen. Doch visuell unterscheiden sich diese stark von der eigentlichen Präsentation des Spiels. Die Storys wurden von Künstlern handgezeichnet und weisen auch einen anderen Erzählstil auf. Es wirkt manchmal so, als wurde das eigentliche Spiel, um diese Kurzgeschichten gebaut. Diese abwechslungsreichen Momente sind auch durchaus nötig, denn die Qualität der Gespräche unterscheidet sich von Fahrer zu Fahrer und sind zudem öfters in die Länge gezogen. Wobei Fahrer vier eine nette Abwechslung darstellt und die interessanteste Lebensgeschichte erzählt. Zur weiteren Auflockerung wird man immer wieder mit kleineren Rätseln gefordert. Dadurch zwingt das Spiel den Spieler wieder aufzupassen und man durchbricht die monotonen Landschaftsaufnahmen. Wahre Herausforderungen stellen die Knobelaufgaben nicht dar, aber passen immer wieder gut in die Handlung. Viel „Spiel“ wird man sowieso nicht finden, außer man zählt die interaktiven Elemente wie Scheiben hochkurbeln dazu. Man könnte “Hitchhiker - A Mystery Game“ fast mit einem „Walking Simulator“ vergleichen, nur bewegt man sich hier nicht. Im Vordergrund steht die verdrängte Erinnerung des Anhalters und die Gespräche mit den Fahrern. Stellenweise suggerieren die Entwickler dennoch, dass man auf den Ausgang des Spiels Einfluss nehmen kann, doch führt jede Auswahlmöglichkeit zum selben Ergebnis. So ist man mit jeder der fünf Episoden knapp 30 Minuten beschäftigt und sieht nach 2,5 Stunden den Abspann.
Ein Smartphone Spiel für die PS4
Das Spiel wurde auch für Apples Handyspiele Dienst „Apple Arcade“ entwickelt, was man deutlich anmerkt. Grafisch erfüllt der Titel mit dem simplen Stil seinen Zweck. Es reicht zumindest aus, um diese Geschichte zu erzählen. Jedoch wirken die immer gleichen Kulissen der langen Autofahrten auf Dauer sehr ermüdend. Zwar bietet man fünf unterschiedliche Szenarien, aber der Hintergrund wiederholt sich zu schnell. Animationen der Fahrer hängen ebenfalls in Dauerschleife und nerven mit der Zeit. Die Spielfigur selbst, bleibt auch eher still und die Interaktion mit Objekten erinnert mehr an klassische Point & Click Adventure. Zudem plagen das Spiel zahlreiche Texturfehler. Darüber tröstet nur die gute englische Synchronisation und die charmante, wenn auch dezent eingesetzte musikalische Untermalung.
FAZIT:
Der Trailer hatte mich wirklich überzeugt und bis zur fünften Episode hörte ich den Fahrern auch aufmerksam zu. Doch dann wird man aus dem Szenario geschmissen. Ich hatte mir schon gedacht, in welche Richtung die Geschichte gehen wird. Persönlich habe ich nichts gegen Spiele, die sich als künstlerisches Medium verstehen und die Verarbeitung von bestimmten Gefühlen und Entscheidungen grafisch darstellen. Nur wirkt es hier auf mich, als hätte der Autor das Ganze nicht zu Ende gedacht. Die fünfte Fahrt endet einfach abrupt und ich fühlte mich vor den Kopf gestoßen. Zwar konnte ich mir gut zusammenreimen, was dem Anhalter passiert ist, aber irgendwie fehlt mir noch eine Episode aus seinem Leben. Ein Teil der Frustration ist wohl auch der Grafik und Präsentation geschuldet. In jeder Fahrt 30 Minuten auf den gleichen Hintergrund zu starren und die Animationsdauerschleife des Fahrers zu sehen, macht einfach mürbe. Mit der Zeit will man die Geschichte nur noch zu Ende bringen und man klickt sich durch die Dialoge, bis man durch ein kleines Rätsel wieder aus dem Dusel gerissen wird. Der Preis ist für diese 2,5 Stunden sehr hoch angesetzt und auch das Gebotene lässt fragen, für was man da nun wirklich bezahlt hat. Um dieses Spiel zu genießen, sollte man eine Vorliebe für experimentelle Erzählkunst mitbringen, aber wartet besser auf ein gutes Angebot!
Alle Produkttitel | Herstellernamen | Warenzeichen | Grafiken und damit verbundene Abbildungen sind Warenzeichen und/oder urheberrechtlich geschütztes Material ihrer jeweiligen Inhaber. All referenced company names, characters and trademarks are registered trademarks or copyrights of their respective owners.