Neue frische Ideen sind rar bei den großen Publishern. Immerhin ist ein finanzielles Risiko mit einer neuen Marke verbunden. Auch wenn Sony und Nintendo immer wieder beweisen, dass Einzelspielerspiele erfolgreich sein können, agieren andere Anbieter mehr als zurückhaltend, besonders wenn es keinen geplanten Mehrspielermodus noch Games as a Service Elemente gibt. Es grenzt wohl an ein Wunder, dass Ubisoft dem Team von „Assassin's Creed: Odyssey“ die Chance auf ein neues Projekt gegeben hat. Aus dem ursprünglichen „Gods & Monsters“ ist nun „Immortals Fenyx Rising“ geworden. Ob das der erhoffte Erfolg ist, lässt sich noch schwer messen, aber wenigstens ist es einer der besten „Zelda“ Klone jenseits der Nintendo-Systeme.
Die Legende von Fenyx
Typhon wurde vor Äonen von Göttervater Zeus im Kampf besiegt und unter einem Berg begraben. Der Titan versprach ewige Rache, welche er nach dem Ausbruch aus seinem Gefängnis gleich in die Tat umsetzte. Er stahl den Göttern ihre Essenz und verwandelte sie in traurige Gestalten ihrer selbst. Auch Zeus musste vor dem Treiben Typhons fliehen und fand Unterschlupf bei seinem alten „Kumpel“ Prometheus. Dieser begann eine Geschichte zu erzählen, von einem Krieger, welcher Typhon besiegen wird und die Götter einigt! Zur selben Zeit erleidet die Schildträgerin Fenyx Schiffsbruch auf der goldenen Insel. Hier hat Typhon sein neues Reich geplant und die Götter daraus verbannt. Gemeinsam mit dem Götterboten Hermes macht sie sich nun auf den Weg, die Götter zu befreien.
Die Handlung ist relativ einfach gehalten und passt zur ganzen Optik des Spieles. Im Grunde erinnert es an eine Zeichentrickserie und nimmt sich dementsprechend nicht ganz ernst. Zeus und Prometheus erzählen die Geschichte zudem aus dem Off. Ihre Dialoge sind ein zweischneidiges Schwert, entweder liebt man den eigensinnigen Humor oder eben nicht. Glücklicherweise verbringt man in diesem 35 Stunden Epos erstaunlich wenig Zeit mit der Geschichte. Somit fällt das auch nicht weiter störend auf. Für die erwachsenen Spieler gibt es zudem auch manche Gags, die wirklich hart an der Grenze sind. Da sich die Geschichte aus der Perspektive einer jungen Kriegerin oder Kriegers erleben lässt, ist die Figur nicht besonders tief in die Geschehnisse eingebunden. Jedoch vermitteln beide Sprecher die jeweilige Persönlichkeit ganz gut. Im Zuge des Reviews schreibe ich aus Sicht der weiblichen Heldin, die ich als Avatar gewählt habe.
Bei Hermes! Gott des Handels und Diebstahls
Wie eingangs erwähnt, handelt es sich auf den ersten Blick um eine dreiste Kopie von Nintendos „Zelda: Breath of the Wild“. Wer sich jedoch länger mit dem Spiel beschäftigt, wird schnell feststellen, dass hier nur gewisse Grundelemente übernommen wurden. Fangen wir mit dem Offensichtlichen an. Unsere Heldin verfügt über einen Ausdauerbalken, welcher beim Klettern, Gleiten, Schwimmen und Laufen langsam verbraucht wird. Rastet man, füllt sich dieser wieder auf. Auch gibt es unterschiedliche Regionen, welche erst nach Besteigen eines Aussichtspunktes aufgedeckt werden. Zudem findet man in dieser Welt zahlreiche Kisten und Gewölbe / Tempel, die es zu erforschen gibt. Soweit ist das alles auch in den Zelda-Spielen vorhanden. Jetzt fangen jedoch die Unterschiede an!
Das Kampfsystem basiert auf leichten und schweren Attacken. Schwere Angriffe mit der Axt füllen eine Betäubungsleiste beim Gegner. Ist diese voll, geht der Schurke zu Boden und wird ein leichtes Ziel. Die Ausdauerleiste ist zudem mit den göttlichen Kräften verbunden. Fenyx kann so den mächtigen Hammer Hephaistos oder die Speere von Ares beschwören. Ihre Waffen verfügen zudem über eine unbegrenzte Haltbarkeit. Interessant ist die gewählte Steuerung. Standardmäßig befinden sich leichte und schwere Angriffe auf den R1/R2 Tasten. Anfangs etwas ungewöhnlich, aber mit der Kombination der unterschiedlichen Götterkräfte entsteht ein sehr flüssiges und eingängiges Kampfsystem, dass selbst nach zahlreichen Kämpfen nicht langweilig wird. Übrigens signalisieren die Gegner deutlich ihre Angriffe und mit etwas Feingefühl kann man denen auch problemlos ausweichen oder sie parieren. Sollte man doch einmal in Bedrängnis geraten, gibt es vier unterschiedliche Tränke, welche die Lebensenergie wieder auffüllen oder Boni auf Angriff und Verteidigung geben. Jeder erfolgreich bestrittene Kampf und jede erbeutete Kiste belohnen den Spieler mit Kristallfragmenten, die in Waffenupgrades gesteckt werden können. Im Lauf des Spieles findet man zahlreiche Waffen- und Rüstungsteile, welche unterschiedliche Boni besitzen. Daneben gibt es noch einen Fähigkeitsbaum für die göttlichen Kräfte und verschiedenen Angriffsarten. Diese notwendigen Punkte in Form von Münzen findet man überall, sofern man besondere Aufgaben erfüllt.
Sisyphos’ Strafe
Einen Großteil des Spieles verbringt man mit der Hauptquest und somit mit der Suche nach den vier Göttern. Jeder hat dabei seine eigne, speziell entworfene Region. Durch das Erfüllen von unterschiedlichen Aufgaben, versucht man die Essenz des Gottes wieder zu erlangen und ihm zu seiner wahren Größe zu verhelfen. Diese Aufgaben sind in der Oberwelt wie auch in den unterschiedlichsten Verließen zu finden, stellen aber nur einen Bruchteil der eigentlichen Aufgaben dar. Des Weiteren findet man auf der Insel viele kleinere Nebenquests, die zwar keinen Einfluss auf die Handlung haben, aber dem Spieler eine Vielzahl von Sagen über die Götter näherbringen. Um die Questreihe der Götter zu starten, gilt es ihre Statue und deren Aussichtpunkt zu erklimmen. Hier sollte man sich Zeit zum Erkunden nehmen, da sich in den Gebieten zahlreiche Schätze und Aufgaben verstecken. In der Ego-Perspektive sucht man die Landschaften ab und wird mit Controller-Vibrationen und akustischen Signalen darauf hingewiesen, wenn sich etwas in der Umgebung befindet. Die einfachsten sind normale Schatzkisten und Ambrosia, welcher zugleich auch die Lebensleiste verlängert. Bei Kampfkisten gilt es spezielle Gegner zu besiegen. Knobelfreunde kommen bei den Sternzeichen-Herausforderungen und den Rätselkisten auf ihre Kosten. Zahlreiche Schalter- und Schieberätsel fordern euer Hirn. Wer seine Umgebung genauestens erkundet, wird damit schnell fertig. Jedoch ist nicht jede Aufgabenstellung immer eindeutig. Mit der Zeit schaltet man zahlreiche Fähigkeiten frei, welche vieles um einiges erleichtern und man so auch diverse kleinere Rätsel umgehen kann. Jedoch wiederholen sich diese am Ende zu oft, wodurch man ein gewisses Muster erkennen kann. Geschicklichkeits-Herausforderungen gibt es ebenfalls. Hier soll man so schnell wie möglich von Punkt A nach Punkt B kommen.
Die meiste Zeit wird man aber in den Gewölben verbringen. In der Unterwelt von Hades erwarten den Spieler knifflige Sprung- und Kampf-Herausforderungen. In diesen separaten Levels kann man bessere Ausrüstung finden, sowie einen von Zeus Blitzen, welche die Ausdauer verlängern. Die Designer haben sich so Einiges einfallen lassen, was die Gewölbe im Endeffekt auch zu den schwersten Stellen des Spiels machen. Einmal erwarten aufwändige Rätsel, dann wieder knifflige Geschicklichkeitspassagen. Auch findet man hier Arenen, die mit starken Gegnern und Fallen versehen sind.
Die Handlung führt Fenyx zwangsläufig in spezielle Gewölbe, die eine Mischung aus Geschicklichkeit und Kampf darstellen. Wer sich diesen stellt, sollte gut 30-45 Minuten einplanen, wie auch einen mächtigen Bossgegner zum Finale. Generell gibt es zahlreiche dieser Obermonster, die nur auf einen wahren Krieger warten. Besonders die gefallenen Helden stellen eine große Herausforderung dar. Man merkt, es gibt viel zu tun in dieser Welt, was somit ganz in der Tradition der typischen Ubisoft Formel steht. Jedoch haben sich die Entwickler viel Mühe gegeben, diese auch abwechslungsreich zu gestalten und nur einen Bruchteil muss man davon abarbeiten, um in der Handlung voran zu schreiten. Vieles kann man auch nebenbei erledigen oder lässt es einfach.
Hephaistos, Gott des Schmiedehandwerks und der Kunst
Dem Weltendesign gebührt ein großes Lob. Die Insel überrascht mit vielen unterschiedlichen Ecken und lädt somit zum Erforschen ein. Auch die schiere Größe der Welt beeindruckt. Man merkt, dass diese Insel nicht für Menschen geschaffen wurde, sondern für Götter. Alles ist im Vergleich zu unserer Heldin riesig. Schon alleine die Burg von Ares könnte glatt ein eigenes Level sein. Auch die Schmiede von Hephaistos besitzt Ausmaße, die einem Gott der Schmiedekunst gerecht werden. Der Spieler wirkt verloren und die vereinzelten (zerstörten) Siedlungen von Menschen wirken fast schon deplatziert. Doch auch bei den Gegnern macht der Gigantismus keinen Halt. Lediglich normale Soldaten sind von Fenyx Größe. Alle anderen Kreaturen überragen unsere Heldin um ein Vielfaches. Unglücklicherweise ist das Gegnerdesign hier nicht so gelungen, wie es die Welt wirken lässt. Es gibt gefühlt sechs unterschiedliche Gegnertypen, welche teilweise nur eine andere Farbe besitzen. Zum Ausgleich gibt es wenigstens unterschiedliche Angriffsmuster. Wer die Welt genauer beobachtet, wird außerdem feststellen, dass sehr viel kopiert wurde. Immer wieder findet man dieselben Texturen und grafischen Elemente.
Technisch wurde dagegen ein Produkt abgeliefert, welches positiv überrascht. Bugs und Spieleabstürze sind eine Seltenheit. Auch Framerate Einbrüche und dergleichen sucht man mit der Lupe. Der Titel läuft stabil mit 30 FPS mit einer 1080p Auflösung. Wer eine PS4 Pro besitzt, kann zudem noch in 4K Auflösung spielen. Einzig die langen Ladezeiten sind ein Krampf. Das Reisen von einem Schnellreispunkt zum nächsten, wie auch das Betreten der Gewölbe dauert einfach zu lange. Immerhin kann das Spiel auch kostenfrei zur PS5 Version aufgewertet werden, was dann noch ein paar technische Verbesserungen bringt (siehe auch unser Review zur PS5 Version).
FAZIT:
Ich habe mittlerweile 30 Stunden mit diesem Spiel verbracht, aber es noch immer nicht bis zum Endgegner geschafft. Wenn es das Ziel war, den Spieler möglichst lange von der Hauptquest abzulenken, dann haben es die Entwickler geschafft. Ich erwische mich immer wieder, dass ich Schatzkisten in der Welt suche. Jedoch mache ich um die Gewölbe einen großen Bogen. In diesen kann man sich schnell für gut 30 Minuten verlieren. Auch habe ich mit der Zeit den Schwierigkeitsgrad auf „Leicht“ gestellt. Es ist sehr mühselig durch die Welt zu wandern und dann in einem fünfzehnminütigen Kampf unnötige Zeit zu verlieren. Auch wurde es mir zu blöd immer die notwendigen Zutaten für die Heilungstränke zu suchen. Dadurch ging viel Spielfluss verloren und ich musste zu oft zurück, um die Tränke zu brauen. Generell hätte dem Spiel auch eine bessere Reisefunktion gutgetan. Das Pferd unterstützt einen zwar recht gut, aber ein geflügelter Pegasus wäre mir lieber gewesen. Durch diesen Gigantismus wird selbst eine Mauer zu einem monomentalen Hindernis, bei dem man gut eine Minute zum Überwinden braucht. Lob hingegen gibt es für das Kampfsystem. Das macht sehr viel Spaß, auch wenn ich anfangs von der Belegung der Tasten nicht begeistert war. Hier braucht es etwas Einarbeitungszeit. Auch die Gestaltung der Heldin und die unzähligen Rüstungen und Waffen wissen zu gefallen. Generell steht das Comic Design dem Spiel gut und tröstet über so manche Copy & Paste Entscheidung hinweg.
Auch technisch gibt es nichts zu bemängeln. Das Spiel macht auf der PS4 und der PS5 eine gute Figur, auch wenn bei der Next-Gen Hardware technisch sicher mehr möglich gewesen wäre. Was mir besonders gefallen hat, sind die zahlreichen Einstellmöglichkeiten beim Gameplay. Neben dem Schwierigkeitsgrad kann man auch zusätzliche Tipps für die Rätsel aktivieren. Dadurch wird der Titel für alle Altersgruppen sehr zugänglich. Am Ende des Tages zählt hier, ob man sich diesem Collectathon stellen will. Die schiere Anzahl der Icons auf der Landkarte kann so manchen bereits zur Verzweiflung bringen. Mein Rat: Arbeitet diese gemütlich ab, ansonsten läuft man Gefahr, dass man einen „Icon Burn Out“ hat und das Spiel trotz seiner Stärken zur Seite legt. Bezüglich der Gemeinsamkeiten mit Nintendos Epos „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“, haben die Entwickler hier eine schöne Mischung aus besagten Spiel und der grundlegenden „Assassins Creed“ Formel geschaffen, was durchaus für sich Alleine stehen kann. Passend hier zu möchte ich das Review mit einem Zitat von Oscar Wild abschließen: „Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung“.”
[ Review verfasst von Andy ]
[ Gespielt auf der PlayStation 5 mit 4K TV mit HDMI 2.1 ]
Pluspunkte:
Gutes, flüssiges Kampfsystem
Opulentes Weltdesign
35 Stunden Spieldauer …
Minuspunkte:
…welche mit zahlreichen Kisten und Rätseln mühsam erkauft wird
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