Devolver Digital kann man mittlerweile getrost als „Rockstar Games des Indie-Sektors“ bezeichnen. Das Label nimmt fast ausschließlich Spiele unter Vertrag, die durch die Bank weg Akzente setzen können. Gegen Ende letzten Jahres erschien mit „Ruiner“ ein solches Kleinod, das in der Masse von Veröffentlichungen ein wenig untergegangen ist. Da es kürzlich ein umfangreiches Update gab, dachten wir uns, dass es endlich Zeit wird, den Titel einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Kill the Boss
Der Spieler wacht in der Cybermetropole Rengkok im Jahr 2091 auf. Sein Ziel: Den entführten Bruder finden und befreien. Das ist im Großen und Ganzen die Story, die über weite Strecken mysteriös bleibt und bestenfalls zum Ende so etwas wie eine Auflösung findet. Natürlich steckt noch mehr dahinter und das ganze Drumherum ist ordentlich ausgearbeitet, doch letztendlich ist die Geschichte auch hier nur Mittel zum Zweck.
Los geht's in einem lebhaften Bezirk der Stadt, durch den man sofort in die Welt von „Ruiner“ eintauchen kann – dieser Fleckchen dient nämlich als Hub-Welt zwischen den einzelnen Levels. Allerlei illustre Personen laufen dort rum und manch einer wartet auch mit einer Nebenaufgabe auf euch. Das Herzstück bleiben aber die geradlinigen Levels, in denen man selbst zur Waffe greift und allerlei Feinde tötet. Die Begegnungen laufen jedoch oftmals ähnlich ab. Man läuft ein Stück, hackt einen Waffenschrank, tankt Energie auf oder plündert eine Truhe und kommt dann in einen weiträumigeren Bereich. Hier beginnen die Kämpfe. Das erinnert grob gesagt an typische Arenen und erst wenn der letzte Gegner besiegt ist, geht es weiter. Diese Begegnungen werden übrigens wie in einem Arcade-Spiel bewertet. Je schneller und effektiver ihr die Schergen umnietet, umso mehr Punkte gibt es und umso bessere Bewertungen warten auf euch.
Zwischenbosse und Endgegner erschweren jedoch euer Vorankommen und sorgen auch für das eine oder andere unfreiwillige Ableben. Dank verschiedener Schwierigkeitsgrade und gut gesetzten Checkpoints hält sich der Frust jedoch in Grenzen. Überhaupt sorgen diese Begegnungen für Abwechslung, da von 1:1 Kämpfen bis zu ausgeklügelten Fallen alles dabei ist. Die Bosskämpfe sind somit ein Highlight im Spiel. Besiegte Gegner lassen übrigens nicht nur ihre Waffen (und davon gibt’s viele) liegen, sondern versorgen euch auch mit der Währung „Karma“. Dadurch levelt ihr auf und schaltet neue Fertigkeitspunkte frei.
Overpowered
Von denen sind manche nützlicher als andere, aber fast alle lassen sich hochstufen. In einem Spielverlauf kann man übrigens nicht alle Fähigkeiten freischalten, dafür darf man die Punkte jedoch jederzeit neu verteilen. Aber was hat das Spiel so im Angebot? Da gibt es zum Beispiel das energiefressende Schutzschild, eine Blendgranate, die Gegner betäubt (zum Ende recht nützlich), dann ein „Energie in Lebenskraftumwandler“, Erhöhung der Munitionskapazität und Haltbarkeit von Nahkampfwaffen und natürlich Upgrades für die Dash-Funktion. Das Gamepad ist jedenfalls voll belegt! In den Kämpfen ist man deswegen auch mal leicht überfordert, denn durch Kill-Combos wechselt das Spiel in eine Art Zeitlupenmodus, in dem man quasi von Gegner zu Gegner springen kann und denen im Nahkampf den Garaus macht. Wenn dann überall noch alles Mögliche explodiert und auch die Feinde herumdashen, verliert man schnell den Überblick und nutzt selten das volle Potential an Fähigkeiten. Hier wäre weniger mehr gewesen, oder aber es hätte mehr Übersicht und weniger Zeitlupe gebraucht. Andere Spiele in diesem Genre machen das jedenfalls deutlich besser.
Rot und Schwarz
Cyberpunk war und ist schon immer eine Sache von Stil gewesen. Die Stimmung muss passen und dazu zählen neben einem starken elektronischen Soundtrack auch eine distinktive Optik. Beides wird in „Ruiner“ geboten. Und manches erinnert verdammt stark an den Anime (und nicht den schwurbeligen Realfilm) „Ghost in the Shell“ – nur ein paar Nuancen düsterer – realistischer eben. Das beeindruckt, auch wenn durch die Farbwahl (primär rot und schwarz) ein wenig die Abwechslung flöten geht und die Umgebungen sich zu stark ähneln. Doch damit kann man leben – zumal das Spiel in fünf Stunden locker durchgespielt ist. Ansonsten läuft der Titel auf PS4 und PS4 Pro recht gut, hier und da gibt es jedoch kleine Nachladeruckler und der Soundmix hätte etwas kräftiger ausfallen dürfen. Die paar Schnitzer in der Übersetzung oder besser gesagt, die Bildschirme die nicht übersetzt wurden, nimmt man gelassen hin. Es gibt Schlimmeres.
FAZIT:
„Ruiner“ ist atmosphärisch ganz stark – es passt einfach alles: Musik, Stil und Grafik. Nur beim Gameplay hapert es ein wenig: Zu langsam und mit etlichen Spezialfähigkeiten einen Tick zu überladen. Davon abgesehen, machen die Arenakämpfe aber Laune. Mit dem letzten „Annihilation“ Update haben die Entwickler dem Titel viele neue Sachen spendiert. New Game Plus, separate Arena-Kämpfe und ein spezieller Speedrun-Modus (ohne Stadt und Zwischensequenzen) laden zum erneuten Spielen ein. Letztendlich muss jeder selbst wissen, was ihm wieviel wert ist. Aber für den 10er, den „Ruiner“ kostet, bekommt man eine spektakuläre Cyberpunkwelt geboten inklusive solider Action und mittlerweile akzeptablen Umfang. Get'em Puppy!
[ Review verfasst von .ram ]
[ Gespielt auf einer PlayStation 4 Pro und 1080p TV ]
Pluspunkte:
Fantastische Atmosphäre
Stil passt perfekt
Umfangreiche Fähigkeiten zum Aufleveln
Minuspunkte:
Zu viel Zeitlupe und zu viele Fertigkeiten
Zu oft Arenakämpfe
Geschichte könnte umfangreicher sein, unbefriedigendes Ende
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