Vor zwei Jahren erschien Sony`s lange ersehntes „The Getaway“ für die PlayStation 2. Über Jahre hinweg wurde seit den Anfangstagen der Konsole ein Hype aufgebaut, der dem Spiel selbst bei minderer Qualität gute Verkaufserfolge beschert hätte. Schlussendlich war „The Getaway“ zwar keinesfalls schlecht, aber auch nicht das erhoffte „Überspiel“. Kurz nach der erfolgreichen Veröffentlichung kündigte man sogleich vollmundig ein neues Add-On und einen richtigen Nachfolger an. Jetzt, gegen Ende des Jahres 2004 bringt Sony „The Getaway: Black Monday“ auf den Markt - dabei handelt es sich aber keineswegs um die geplante Erweiterung, auf der anderen Seite sollte man sich aber fragen, warum denn keine "2" im Titel auftaucht. Ein schlechtes Omen?
Menagé a Trois
Der Polizist Ben "Mitch" Mitchell, der Amateurboxer Eddie O`Connor und die junge Internetpiratin Sam erleben ihren "schwarzen Montag" ungefähr zwei Jahre (Absicht oder Zufall?) nach den Ereignissen aus dem ersten Teil. Die Jolsen Bande ist zerschlagen, die Soho Jungs führerlos und die Triaden in den Waffenschmuggel verstrickt. Zu all dem gesellt sich nun noch ein neues Übel, die Russenmafia, welche mit noch nie gekannter Brutalität und ohne Ehre London den Kampf angesagt hat. Nach und nach verstricken sich die Hauptdarsteller (meist unfreiwillig) in die Geschehnisse. Die Verknüpfung der einzelnen Handlungsstränge ist dabei weitaus besser in die Geschichte eingefügt als noch im Vorgänger. Überhaupt fesselt den Spieler die spannende Story stärker als noch die Geschichte um Kleingangster Marc Hammond.
Viel zur gestiegenen Atmosphäre tragen sicherlich die besser inszenierten Schauplätze und Kapitel bei, lernt man so doch die dunklen Gassen, Häuserdächer und Luxusgebäude von Großbritanniens Hauptstadt näher kennen. Zum Leidwesen der tollen Geschichte hat sich das Gameplay jedoch fast nicht verändert. Noch immer erlebt ihr Verfolgungsjagden durch ganz London und ballert (oder schleicht) euch durch verruchte Gebiete. Das alles wäre ja zu verkraften, wenn sich in den zwei Jahren wenigstens etwas am Zielsystem, an der Kamera und an der Autosteuerung verändert hätte. Aber Pustekuchen! Noch immer ist die automatische Zeilerfassung hackelig und unpräzise, die Kamera lässt sich immer noch nicht um den Charakter drehen (was vor allem in Gebäuden einem jedes Mal die Übersicht raubt) und die Autofahrten quer durch das rechts lenkende London sind mehr Anstrengung als Spielspaß. Insbesondere bei Letzterem hätte man vielleicht mal die vielen Schilder, Säulen und Zäune umfahren können, damit man nicht bei jedem kleinen Fahrfehler hängen bleibt und so meist die Fahraufträge wiederholen darf. Dafür haben die Entwickler wenigstens den teilweise frustrierend hohen Schwierigkeitsgrad des Vorgängers entschärft und bis auf eine ärgerliche Ausnahme (Kapitel 15) stirbt man nicht allzu viele Bildschirmtode (geheilt wird immer noch per "an die Wand lehnen", dass darf allerdings nicht mehr beliebig oft wiederholt werden). Zudem sind die Verfolgungsjagden weitaus einfacher geraten, dafür sorgen die optimierten Blinker (als Ersatz für Richtungspfeile), eine zusätzlich einblendbare Karte und die Möglichkeit während des Fahrens mit einer Schusswaffe zu feuern. Zur Folge hat diese Vereinfachung natürlich eine kürzere Spielzeit, bis man das grandiose Ende erlebt vergehen maximal acht Stunden. Damit „The Getaway: Black Monday“ nach dem einmaligen Durchzocken nicht in der Ecke liegen bleibt und verstaubt, haben sich die Entwickler ein paar Minispiele zum obligatorischen Free-Roam Modus ausgedacht. So könnt ihr jetzt wie in Crazy Taxi (SEGA) Passagiere durch ganz London mittels eines der berühmten Black Cabs chauffieren, nehmt an wahnwitzigen Rennen teil oder jagt Verbrecher durch die britische Metropole. Neue Wagen und Strecken schaltet ihr übrigens mit Schlüsseln frei, die im ganzen Spiel verstreut sind. Neu ist die Möglichkeit, versteckte Wagen im Free-Roam Modus mittels Speichergaragen zu sichern und dadurch auch in den Rennen zu nutzen. Insgesamt sind die Ergänzungen zwar ganz nett, können aber weder langfristig motivieren, noch handelt es sich dabei um primäre Kaufargumente. Denn gerade in den Minispielen werden die zahlreichen technischen Mängel sichtbar.
Flashback
Ein Unwissender könnte „Black Monday“ glatt mit dem ersten „The Getaway“ verwechseln. Denn auf technischer Seite hat sich nicht viel getan. Zwar wurde die Vielfalt der Automodelle (inkl. Motorräder) erhöht und auch grafisch haben die lizenzierten Karren ordentlich zugelegt, im Austausch dafür wirken Texturen im Hintergrund matschiger, der Nebel auf Londons Straßen hat zugenommen und bei jeder Kreuzung sind starke Einbrüche in der Framerate zu bemerken. Die Zwischensequenzen, welche vor zwei Jahren noch lebensecht aussahen, wirken heutzutage mit ihren teilweise hässlichen Texturen und wenigen Polygonen hoffnungslos veraltet und auch die Bewegungsanimationen der Figuren könnten besser aussehen. Zudem fallen noch merkwürdige Proportionen einzelner Charaktere auf, so sieht zum Beispiel Ben Mitchell stark untersetzt aus mit seiner riesigen „Birne“. Auf einen 60Hz-Modus oder gar Progressiv Scan müssen wir dieses Mal verzichten, dafür entlohnt uns Sony mit einer erstklassigen Synchronisation (die englische Version ist noch mal eine Spur besser). Musikalisch hat man mit Nimrod fähige Leute angeheuert, die auch schon dem Driv3r Soundtrack die passende Akustik verpassten. Alles in Allem ist der „schwarze Montag“ mehr hörens- statt sehenswert.
FAZIT:
Atmosphärisch ist „The Getaway: Black Monday“ auf jeden Fall, denn wie schon im Vorgänger haben es die Entwickler superb geschafft, die Vibes des britischen Gangsterkinos einzufangen. Dadurch wirkt das Spiel nicht nur authentisch, sondern versprüht auch seinen ganz eigenen Charme. Schade nur, dass sich weder in Hinsicht auf die Spielmechanik, noch auf die mittlerweile verstaubt wirkende Technik etwas getan hat. Nach zwei Jahren erwarte ich schon ein bisschen mehr, als behutsames (und bei weitem nicht ausreichendes) Feintuning. Dadurch wirkt "Black Monday" auch eher wie eine Erweiterung statt wie eine richtige Fortsetzung und sollte dementsprechend auch keine 60 Euro kosten. Mein Tipp: Wartet ein paar Monate, dann bekommt ihr das Spiel für einen Zwanziger und für den ist es auch empfehlenswert.
[ Review verfasst von .ram ]
Pluspunkte:
- London akkurat nachgebaut
- Viele lizenzierte Fahrzeuge
- Kinoreife Akustik
Minuspunkte:
- Technik fast 1: 1 aus dem Vorgänger übernommen
- Gameplay fast 1:1 aus dem Vorgänger übernommen
- Kapitel 15 ist der reinste Trial & Error